Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
Vom Netzwerk:
Bollerwagen mit den Gummireifen verstauen würde. Aus dem bereits geschlossenen Restaurant Els Pescadors drang ein schwacher Duft von
sofritos
, Fisch und Meeresfrüchten an seine Nase. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so etwas wie einen Kaiserhummer verspeist hatte. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er drehte sich um und sperrte seinen zahnlosen Mund auf:
    Â»Die Bullen! Ich habe nichts getan. Ich schlage mich durch, um zu überleben, aber ich habe doch nichts getan.«
    Â»Es heißt, du hättest eine Geliebte, Cayetano«, entgegnete Lifante.
    Â»Eine Geliebte, ich? Mit dieser Fresse?«
    Â»Die Palita.«
    Â»Ich hatte nichts mit der Palita am Hut.«
    Lifante gab einem der ihn begleitenden Polizisten ein Zeichen, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie niemand auf dem Platz beobachtete, verpasste der Magister in Bettlerkunde Cayetanos Wagen einen solchen Tritt, dass er mitsamt dem Inhalt umkippte.
    Â»Warum tun Sie das? Wollen Sie mich ruinieren? Das ist alles, was ich habe.«
    Â»Der nächste Tritt ist für dich.«
    Auf dem Kommissariat forderten sie ihn auf, sich auszuziehen, und da stand er, nackt und schmutzig, die Haut voller Flecken, und hielt sich die Hände schützend vor die Hoden.
    Â»Was ist mit deinen Eiern, Cayetano?«
    Â»Ein alter Ratschlag, den ich mal bekommen habe.«
    Â»Und wie lautet der?«
    Â»Im Gefängnis musst du deinen Arsch, auf dem Polizeirevier deine Eier schützen.«
    Sie steckten ihn unter eine Dusche, die nach dem Schmutz der vielen Körper stank, die zuvor unter ihr hindurch gemusst hatten.
    Â»Es ist wahr«, sagte Cayetano, als sie ihn wegen eines Schwindelanfalls, den der Geruch von Seife und Desinfektionsmitteln bei ihm ausgelöst hatte, auf einen Stuhl setzten. »Ich hatte was mit der Palita zu tun. Ich habe was anderes gesagt, weil man mir geraten hat, niemals etwas zuzugeben bei der Polizei. Ich habe sie kennengelernt, als sie bei Festen Gedichte aufsagte und Tangos sang. Zum Schluss hatte die Palita kaum noch eine Stimme von all dem Saufen, mich hat das nicht weiter gestört, obwohl wir ein Team waren, jawohl, ein Team. Jeden Sonntag haben wir vor den Kathedralen im Duett gesungen. Barcelona, Tortosa, Gerona, Vic. Am Ende habe ich auf nüchternen Magen Tangos gesungen, ich war gekleidet, wie Touristen sich einen Tangosänger vorstellen, und sie hat dazu in einem roten Kleid posiert, mit einem Schlitz im Rock, der ihr bis zur Leiste reichte. Sie lauschte meinen Tangos und sah mich böse an. Dann verpasste sie mir eine Ohrfeige und sang selbst. Den Touristen gefiel die Szene. Der singende Hahnrei und das Flittchen, das ihm zuhört, ohne ihm zu gehorchen.«
    Â»Sing.«
    Â»Wie bitte, Herr Inspektor?«
    Â»Du sollst singen.«
    Cayetano holt tief Luft und stößt sie mit den ersten Silben eines Liedes wieder aus:
    Du sagtest, du wärst noch ein Mädchen
    doch du warst das Mädchen einer Madame,
    die eine Nutte aus dir machte, ohne dich zu fragen,
    ob es aus Vergnügen oder Langeweile war.
    Die Polizisten flehten Lifante an, dem grauenvollen Gesang ein Ende zu setzen.
    Â»Du stinkst aus dem Maul wie ein Toter.«
    Cayetano fühlte sich viel zu sauber, fast nackt. Er zitterte am ganzen Körper, vergaß jedoch nicht, seine Weichteile zu schützen.
    Â»Sie hat ziemlich vulgär geredet, und sie war sehr undankbar. Ich habe ihr immer den Großteil unserer Einnahmen überlassen, was nicht viel war, und sie hat alles für Grappa ausgegeben. Ein Getränk ihres Landes, hat sie immer gesagt. Sie trank Grappa wie andere Wasser. Die Kathedralenbesucher waren nicht besonders großzügig, wir hatten kaum genug zum Essen, und trotzdem wurde sie täglich fetter. Der ganze Scheiß hat sie dick gemacht, und sie wurde jeden Tag schmutziger. Wir lebten auf der Straße, schlugen uns irgendwie durch. Sie verdiente sich ein paar Kröten dazu, indem sie sich von anderen Bettlern angrapschen ließ.«
    Â»Und du hast dir schön brav die Hörner aufsetzen lassen«, bemerkte einer der Polizisten.
    Â»Was ging mich das an? Ich mochte sie einfach, und sie tat mir leid. Sie wollte immer hoch hinaus und hat geprahlt, dass sie ein Kinostar hätte sein können, eine internationale Filmschauspielerin. Sie hat mir ein Foto gezeigt, auf dem sie jung war und mit nacktem Busen in einem Korbstuhl saß, wirklich

Weitere Kostenlose Bücher