Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
sich auf die Suche nach dem La Dolce Vita. Pepita de Calahorra fütterte gerade die zwölf Katzen des Nachtclubs mit Sardinenköpfen. Als sie das aufgedunsene Babygesicht des Dicken im Türrahmen sah, erstarrte sie.
»Schon wieder Sie? Wollten wir uns nicht so selten wie möglich sehen?«
»Ich komme nur, wenn es nötig ist.«
Der Dicke ging auf den ehemaligen Chansonstar zu, sie wich einen Schritt zurück.
»Du schlägst mich nicht noch einmal.«
»Wer redet denn von schlagen? Ich bin hier, damit du mir hübsch deine Lektion aufsagst. Ich will nur sehen, ob du sie noch weiÃt, falls dich die Polizei fragt.«
»Die Polizei?«
»Die Polizei. Haben Sie Rocco Cavalcanti geholfen, sich zu verstecken, weil Helga Muchnik Sie darum gebeten hat?«
Während Pepita nachdachte, kam ihre kleine violette Zunge zwischen den Lippen zum Vorschein. Dann sagte sie ihre Lektion auf.
»Für eine Freundin hätte ich das und vieles mehr getan. Er war ja schlieÃlich nicht vor der Polizei auf der Flucht.«
»Gut. Wie lange war er hier, in diesem Lokal?«
»Bis Cayetano ihn abgeholt hat, dieser Obdachlose, der so was wie Helgas Freund war. Rocco ging mit ihm weg und tschüss. Er hat sich auf die französische Art verabschiedet.«
»Das mit der französischen Art stammt von dir.«
»In Spanien sagt man âºauf die französische Artâ¹, wenn jemand abhaut, ohne sich zu verabschieden.«
Der Dicke streckte einen Finger vor, der aussah wie ein Pistolenlauf, und zielte auf Pepita.
»Roccos Leiche wurde gefunden, und jetzt hängt alles davon ab, dass du an dieser Geschichte festhältst, vor allem, dass Cayetano hier war und Rocco abgeholt hat, richtig?«
Pepita war schockiert.
»Tot? Wer hat das getan?«
»Was glaubst du?«
»Du?«
Der Dicke holte tief Luft, als wollte er sich beruhigen, doch dann versetzte er Pepita de Calahorras drittem Magen mit einer für den Raum, den er in dieser Welt einnahm, ungewöhnlich flinken Bewegung einen Faustschlag.
»Idiotin! Wer hat ihn wohl umgebracht, wenn er mit Cayetano weggegangen ist?«
»Cayetano.«
Sie wimmerte kläglich, als der Dicke fünf Zehntausend-Peseten-Scheine aus seiner rechten Sakkotasche zog, als hätte er dort immer so viel Geld, und sie ihr in den Ausschnitt steckte. Pepita zog die Banknoten aus ihrem Schlupfwinkel. Als sie anfing, die Scheine zu zählen, verschlang Aquilesâ Pranke eines ihrer Handgelenke wie eine fleischfressende Pflanze, und sein kloakenähnlicher Mund kam immer näher, um ihr die letzten Anweisungen zu geben.
»Wenn du brav bist, bin ich auch brav. Wo es zwei Leichen gibt, kann es auch schnell drei geben.«
Diesmal war der Taxifahrer stumm, und Aquiles konnte sich mit der Betrachtung Barcelonas zerstreuen, dieser Stadt am Meer, die er zum ersten Mal in den vierziger Jahren besucht hatte, als Kadett der argentinischen Marine, einer Schule der Tapferkeit und militärischen Kultur, die ihn für den Rest des Lebens prägen sollte. Das Spanien der vierziger Jahre war ihm wie Rumänien vorgekommen; schlimmer noch, wie Albanien. Die Kadetten hatten damals Fleischkonserven über die Kaimauern geworfen, und die Leute hatten sich darauf gestürzt wie auf einen Schatz.
»Argentinien wird wieder die gute alte Mutterkuh sein, und es wird eine neue argentinische Identität entstehen!«
Der Taxifahrer schien seinen Enthusiasmus nicht zu teilen und beschränkte sich darauf, ihn am Anfang der Avenida Don Juan de Borbón abzusetzen, direkt vor dem Club de Natación de Barcelona, wo die Hafenmole beginnt. Er wartete, bis sich das Taxi entfernt hatte, ging zu einem Lagerhaus mit Toren aus Wellblech und trat sechsmal gegen eins der Bleche. Kurz darauf wurden die sechs FuÃtritte von innen erwidert, und das Tor öffnete sich, um den Blick auf eine leere, höhlenartige Lagerhalle freizugeben. Hinter dem Dicken senkte sich der eiserne Vorhang wieder, und ein stummer Pförtner knipste eine Taschenlampe an, um ihm den Weg zu weisen, während er ihn einsilbig auf die Fallen hinwies, in die er treten konnte. Sie stiegen eine Metalltreppe hoch, die in den ersten Stock führte. Dort gab es Licht, genug, damit der Dicke die sechs hünenhaften Männer zählen konnte, die ihn bereits erwarteten. Er zeigte auf Pascualet.
»Was hast du hier zu suchen? Willst du alles vermasseln? Du kommst frisch aus
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