Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
zum Mercado de la BoquerÃa gehen und die notwendigen Zutaten zum Kochen kaufen oder ob er dem Semiologen Lifante das Leben schwermachen und sein Zeichensystem durcheinanderbringen sollte. Er ging in die BoquerÃa und kaufte eine Zickleinkeule, um sie später auf »mittelalterliche Art« zu schmoren, wie es in einem Rezept hieÃ, das er nicht mehr finden konnte. Aber auÃer der Keule des armen Tieres, Schweineschmalz, Salz und Bitterorangen, vor allem Bitterorangen, benötigte man nichts weiter.
»Sie werden in der ganzen BoquerÃa keine einzige Bitterorange finden. Ab und zu gibt es sie in kleinen Stücken, um Marmelade daraus zu machen.«
Ein kleiner, älterer Priester im Alltagshabit, der gerade ein halbes Kilo frische Litschis gekauft hatte, empfahl ihm grinsend:
»Warum gehen Sie nicht zum Orangenhof der Generalitat? Dort finden Sie jede Menge wilder Orangenbäume.«
»Ich gehe hin, frage nach dem Präsidenten Pujol und bitte ihn um ein paar Orangen ...«
»So ungefähr. Ich begleite Sie.«
Der Orangenhof lag auf dem Weg zum Polizeipräsidium, und unterwegs lieferte ihm Pfarrer Piqueras eine in religiöser Hinsicht korrekte Zusammenfassung vom richtigen Gebrauch der materiellen Güter, die allen und niemandem gehörten. Als sie die Plaza de Sant Jaume erreichten, sprach der Pfarrer die
mossos dâescuadra
an, die vor dem Sitz des Präsidenten Wache hielten.
»Ich bin Pfarrer Piqueras und war einmal Hauskaplan des ehrenwerten Jordi Pujol. Was muss ich tun, um ein paar wilde Orangen aus dem Hof zu bekommen?«
Die Wache blinzelte nicht einmal und informierte mit dem Funkgerät einen Vorgesetzten. Weil er kein Nein, aber auch kein Ja erhielt, gab Carvalho sich selbst, dem Pfarrer und der katalanischen Autonomiebehörde fünf Minuten, um in eine andere Lebensphase überzugehen. Vier. Es dauerte nur vier, und ein
mosso dâescuadra
tauchte aus den Tiefen der Macht auf, um ihm ein halbes Dutzend wilder Orangen in einer Plastiktüte von El Corte Inglés zu überreichen. Carvalho wusste weder, wie er das verschlagene Grinsen des Pfarrers interpretieren noch wie er ihm für seine Mühe danken sollte.
»Keine Ursache, Pujol kann mir nichts ausschlagen. Ich war sein Beichtvater. Gott zum GruÃe.«
Während ihm der Gedanke keine Ruhe lieÃ, die Demokratie sei etwas so GroÃartiges, dass sie den Göttern die wilden Orangen nahm, um sie den Menschen zu geben, machte sich Carvalho mit seiner Tüte und der Zickleinkeule zum Polizeipräsidium auf. Lifante lieà ihn nicht lange warten und hielt ihm die Tür zu seinem Büro persönlich auf.
»Politik der offenen Türen.«
Einer der Bettler, die er während seiner ersten Dosis dieser Politik gesehen hatte, derjenige, der Lifantes Streicheleinheiten wert war, befand sich erneut dort, umgeben von mehreren Semiologen und in augenscheinlich schlechter seelischer Verfassung. Obwohl ihn niemand in die Mangel nahm, wimmerte er leise vor sich hin. Er schien sich mitten in einer mechanischen Darstellung von Kontrolle und Nichtkontrolle zu befinden. Lifante starrte den Verhafteten an, als wäre er ein Labortier.
»Hast duâs bald?«
»Aber wenn ich es doch nicht weiÃ. Ich hab die Palita nicht noch mal zusammen mit Rocco gesehen. Sie hatte mir verboten, ein paar von unseren Verstecken zu benutzen, bis sie mir Bescheid geben würde, das war alles.«
»Komm mit, wir machen einen kleinen Spaziergang, Cayetano. Die Tour wird dir gefallen. Wir klappern die Schlupfwinkel ab, die du Rocco gezeigt hast, bevor du ihn umgebracht hast.«
»Aber wenn ich ihn doch nicht umgebracht habe, Herr Inspektor. Sie müssen mir vertrauen. Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten, von dem ich noch keinem erzählt habe?«
Lifantes Assistenten fühlten sich unwohl in Carvalhos Gegenwart und forderten ihren Chef auf, etwas an dieser Situation zu ändern. Lifante zog die Brauen hoch, verschränkte die Arme über der Brust, stützte sich bald auf den Zehenspitzen, bald auf der Ferse ab und erklärte, was er von der Situation hielt.
»Es geht um Sie, Señor Carvalho. Situationslogik. Ein Verdächtiger ist kurz davor, etwas Wichtiges zu enthüllen, oder zumindest das, was er für wichtig hält. Und zwar in Gegenwart von mehreren Beamten des obersten Polizeikorps und eines Privatdetektivs des
Ancien Régime
. Logischerweise fühlen sich
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