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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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Mitte-Rechts-Regierung« – er wiederholte mehrfach das mit der Mitte-Rechts-Regierung – »auch nur andeutungsweise mit rechtsextremen Intrigen in Zusammenhang gebracht würde, weder jetzt noch in der Vergangenheit, als viele derer, die heute Mitte-rechts sind, einfach nur vordemokratische Rechte waren.«
    Auch das Wort
vordemokratische
wiederholte er mehrfach.
    Â»Was für ein Depp. Dem werd ich zeigen, was Demokratie heißt.«
    Gesprochen hatte derjenige, der im Tandem Osorio & Olavarría offenbar das Sagen hatte. Olavarría, Helgas Schwager, war der Schweigsame, Osorio der Cholerische. Der Dicke zuckte mit den Schultern und wartete auf eine Stellungnahme seiner Gesprächspartner. Osorio & Olavarría blieben stumm.
    Â»Ich habe getan, was Sie von mir verlangt haben, Oberst. Hauptmann Doreste hat zu mir gesagt: ›Nimm den nächsten Flug nach Barcelona und lös das Problem, das Oberst Osorio verursacht hat.‹ Schade, dass Sie die Kontrolle über Rocco verloren haben und wir ihm Zeit gelassen haben, seine Exfrau und diesen Privatdetektiv einzuschalten. Aber machen Sie sich wegen des Detektivs keine Sorgen, er wird nur das sehen und hören, was er sehen und hören soll, immer vorausgesetzt, der mit dem Fall beauftragte Inspektor spielt nicht den Schlauberger oder den Verfassungsexperten. Übrigens hat dieser Detektiv einen Assistenten wie aus einem Film, einem ziemlich witzigen Film.«
    Â»Wir müssen ihnen den Mörder liefern. Wir haben ihn, oder?«
    Der Dicke bremste Osorios Entschlossenheit.
    Â»Lifante, so heißt der mit dem Fall betraute Inspektor, soll selbst herausfinden, wer Helgas Mörder ist, und ihm auch den Mord an Rocco zuschreiben. Das war nämlich ein anderer, wir konnten ihn nicht dazu bringen, Helga zu töten, aber wenn Helgas Mörder erst mal den einen Mord gesteht, dann wird er auch den anderen auf sich nehmen. Für eine halbe Million Peseten würde dieser elende Hund sogar seine Mutter umbringen.«
    Osorio beruhigte das nicht.
    Â»Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Da, wo Sie herkommen, in Buenos Aires, sind Sie die Besten. Doreste ist ein Genie, Sie auch, aber das hier ist etwas völlig anderes. Hier gibt es keine Verbindungen mehr zwischen Polizei und paramilitärischen Gruppen. Ich will nicht, dass die Sache ans Licht kommt und hier irgendwelche Journalisten herumschnüffeln.«
    Â»Hier tauchen täglich tote Obdachlose auf, kein Polizist der Welt würde auch nur zwanzig Pesos geben, um die Namen der Mörder zu erfahren.«
    Der Dicke geht, dreht sich aber im Türrahmen noch einmal um. Er zeigt auf Olavarría.
    Â»Passen Sie gut auf Ihren Partner auf, Osorio, er hat schon genug angestellt. Um alles andere kümmere ich mich.«
    Er trat auf die Straße und ging zu den Galerías Condal, wo ein Laden für argentinische Produkte aufgemacht hatte. Er kaufte ein paar alte Zeitungen, verschiedene Illustrierte und eine Dose
Dulce de leche
, die er später im Hotel auslöffeln wollte. Als er wieder auf dem Paseo de Gracia war, besorgte er sich noch einige lokale Zeitungen. Während des Frühstücks im Tapa-Tapa an der Ecke Paseo de Gracia und Consejo de Ciento fiel sein Blick auf die Meldung über den Fund von Roccos Leiche.
    Â»Verfluchte Scheiße, was für Anfänger.«
    Er winkte das erstbeste Taxi herbei und ließ sich zur Ecke fahren, wo die Conde del Asalto auf die Peracamps stößt. Der Fahrer gehörte zu jener Sorte Taxifahrer, die eifrige Vertreter des Monologs waren.
    Â»Früher habe ich dieses Viertel wie meine Westentasche gekannt, und das will was heißen, aber jetzt wird fast jeden Tag ein ganzer Häuserblock plattgemacht und eine neue Straße für den Verkehr geöffnet. Nur die Menschen bleiben dieselben, und derselbe Müll liegt an den Ecken rum. Die alten Nutten wissen schon gar nicht mehr, wo sie ihren Arsch anlehnen sollen. Die Hauswände hat man ihnen genommen, und jetzt müssen sie stundenlang auf einem Bein ausharren. Und dann auf dem anderen. Und kriegen immer mehr Krampfadern. Wenn ich an ihnen vorbeifahre, kann ich die Krampfadern fast vom Wagen aus sehen.«
    Die Zeit, die Zeit, die Zeit!, kommentierte der Dicke melancholisch. Er vergütete die Beredsamkeit des Taxifahrers mit einem großzügigen Trinkgeld, betrat auf seinen kleinen Füßen schwankend das, was von der Calle de las Tapias geblieben war, und machte

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