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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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woanders hin. Er drückte einen Knopf an der Sprechanlage und befahl seiner Sekretärin:
    Â»Rufen Sie meinen Partner an, Jacobo Osorio. Und Jacinto Ros. Ich will sie so schnell wie möglich in meinem Büro sehen.«
    Der Name von Jacobo Osorio war nicht weiter von Belang, aber der von Jacinto Ros hatte Lifante aufhorchen lassen. Olavarría tat alles, ihn noch mehr zu beunruhigen.
    Â»Sie haben richtig gehört, der berühmte Anwalt Jacinto Ros. Unser Rechtsberater und, wie ich glaube, der geeignete Mann, um mir in dieser Lage beizustehen.«
    Â»Wie gesagt, es handelt sich um eine simple Formalität.«
    Carvalho versuchte zu vermitteln.
    Â»Ich glaube, Lifante, Ihr Zeichensystem hat Sie im Stich gelassen. Selbst der einfache Satz ›Roberto Olavarría, ich möchte Sie bitten, mich zum Polizeirevier zu begleiten‹, in bester neutraler Absicht geäußert, klang in meinen Ohren eher wie eine offizielle Verhaftung.«
    Dem Inspektor blieb keine Zeit, sein Zeichensystem noch einmal zu überarbeiten, denn in diesem Moment platzten die beiden Einberufenen herein. Einer von ihnen war ganz eindeutig der Anwalt, umgeben von einer so kategorischen Aura wie der kategorischste aller Talare und mit einem speziell den Störenfrieden gewidmeten Stirnrunzeln, ohne dass Jacinto Ros, der stürmische Anwalt, gewusst hätte, ob er dieses Stirnrunzeln eher Carvalho oder doch eher Lifante und dessen Begleiter widmen sollte. Ros schenkte den Unbekannten nicht die geringste Aufmerksamkeit, ging stattdessen auf Olavarría zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.
    Â»Was ist hier los, Bobby?«
    Â»Ich soll mit aufs Polizeirevier.«
    Â»Wer sagt das?«
    Es war Lifante, der sich selbst denunzierte.
    Â»Das habe ich so nicht gesagt.«
    Â»Und was haben Sie gesagt?«, fragte Osorio, der die Rolle von Ros’ Echo übernahm.
    Â»Ich habe Sie lediglich
gebeten
, mit mir aufs Polizeirevier zu kommen.«
    Â»Für irgendeine Modenschau mit Polizeiuniformen? Festgenommen? Festgehalten? Wie Sie wollen, gehen wir zum Polizeirevier.«
    Lifante ringt sich ein gequältes Lächeln ab und wendet sich zum Gehen. Es sieht aus, als würde sein Rücken sprechen.
    Â»Ich werde Ihnen eine offizielle Vorladung zukommen lassen.«
    Weil der Blick des allmächtigen Jacinto Ros auch ihn zum Gehen auffordert, heftet sich Carvalho an Lifantes Fersen und die seines stummen Begleiters. Er hört, wie sich die beiden unterhalten.
    Â»Ich hätte dem Trottel in die Eier getreten. Ich hätte nicht erlaubt, dass er so mit mir redet.«
    Â»Das ist kein Trottel. Der Typ ist mit allen Mächtigen per Du, während ihn die meisten siezen. Was Jacinto Ros nicht weiß, weiß keiner in dieser Stadt. Er hat eine Menge einflussreicher Politiker in der Hand, vor allem solche, die Dreck am Stecken haben, vorausgesetzt, es gibt auch andere. Da darf man sich nicht aufregen, Celso. Im Gegenteil. Ich fand es eher amüsant, wie sie sich verpflichtet fühlten, arrogant zu wirken, denn eins darfst du nicht vergessen, Celso, hinter Arroganz steckt immer Unsicherheit, und die wird man nicht los, die ist wie ein Bumerang.«
    Â»Mag sein, aber so wie der redet nicht mal mein Vater mit mir.«
    In diesem Moment überholt Carvalho das Pärchen. Lifante wirft ihm einen Blick zu, der ihn trifft wie ein Axthieb.
    Â»Ich habe gelesen, dass Rocco gefunden wurde. Wie lange haben Sie die Information zurückgehalten? Wer hatte etwas davon?«
    Lifante wendet sich an Celso Cifuentes.
    Â»Sag diesem Schnüffler mal ordentlich die Meinung, aber pass auf, dass dich niemand hört.«
    Lifante geht voraus, und Celso verstellt Carvalho den Weg, kräuselt spöttisch die Lippen, kneift die Augen zusammen, bläst dem Detektiv seinen Atem in die Nase und murmelt kaum hörbar:
    Â»Warum verpisst du dich nicht lieber, oder soll ich dir Gesellschaft leisten?«
    Carvalho bleibt überrascht stehen und sagt mit übertrieben lauter Stimme:
    Â»Ich wusste gar nicht, dass Sie bisexuell sind, Inspektor Cifuentes.«

21 Dorotea Samuelson und die Anthropologie des Terrors
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