Cash Out (German Edition)
Bei FlowBid – wer denkt schon an Profite, wenn alle einem sagen, wie brillant man ist, welche strahlende Zukunft vor einem liegt? Wer braucht schon Controlling, wenn immer weiter Millionen von Usern einfach angerannt kommen? Und wer braucht Bescheidenheit und gesunden Menschenverstand, wenn man doch einen nicht enden wollenden Nachschub an irrationalen Investoren hat, die mehr und immer mehr Geld in deine Aktien pumpen, während sie der ganzen Welt erklären, dass man ein lebendes Genie ist – was den Aktienpreis nur noch weiter in neue Höhen peitscht?
Ich erreiche gerade meinen Schreibtisch, als ich eine Stimme höre:
«Hi, Dan.»
Es ist Tracy, die Managerin für Event-Marketing, die auf der anderen Seite des Ganges arbeitet. Seit sie vor drei Wochen aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt ist, hat sie nur Schwarz getragen. Tracy würde viel lieber zu Hause bei ihrem neugeborenen Jungen und der dreijährigen Tochter bleiben.
Sie klingt traurig, beinahe gedrückt. «Heute Morgen was mit der Familie unternommen?»
Ich bleibe stehen, werfe ihr einen Blick zu. «Irgendwie, ja.» Zwischen meinen Beinen zwickt es schmerzhaft. «Ich bin ein bisschen angeschlagen.»
«Kate kann sich um Sie kümmern.» Sie stößt ein kurzes Lachen aus. «Sie ist doch zu Hause, oder? Da hat sie doch Zeit.»
Das höre ich dauernd.
«Nicht wirklich», sage ich. «Kate ist mit den beiden Jungs ziemlich ausgelastet.»
Sie schließt die Augen. «Für mich ist das keine Arbeit. Ich würde liebend gerne zu Hause bleiben, wenn ich es mir leisten könnte.»
Was soll ich jetzt dazu sagen? Ich beiße mir auf die Unterlippe.
«Ihr habt echt Glück», sagt sie und schüttelt den Kopf.
Mein Gott, ich kann das nicht mehr hören!
Erfolgreich? Klar. Aber ob wir auch Glück haben?
Wir haben Glück, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, was für mich bedeutet, dass ich in ein paar Tagen aus dem Irrenhaus hier raus bin. Definitiv.
Wir haben
Glück
, weil bei uns in den letzten sechs Jahren einen Elternteil zu Hause bleiben konnten? Vergiss es!
Wir haben kein Glück gehabt. Wir haben Entscheidungen getroffen.
Wir haben uns für meinen Alltags-Toyota statt für Tracys 65000 -Dollar-Audi-Limousine mit Mikroklima und Ledersitzen entschieden. Wir haben uns für unser winziges Haus mit papierdünnen Wänden und Basisausstattung entschieden statt für Tracys großes Haus mit Kupferdachrinnen, zwei Nordic-Spülmaschinen, einem Freizeitraum und Poolhaus. Wir haben uns für Campingausflüge zum Mount Shasta und Big Basin entschieden statt für Tracys winterliche Wallfahrten ins Maui Ritz Carlton oder ihre allmonatlichen Wochenenden in Wellness-Hotels in Sonoma, Big Sur und Mendocino.
«Ich weiß nicht, wie ihr Leute das macht», sagt sie, schüttelt immer noch den Kopf.
Ich zähle bis drei und gehe hinüber.
«Können Sie Kasse machen? Sie wissen schon, Ihre Aktienoptionen verkaufen und kündigen?»
Sie schüttelt den Kopf, wendet den Blick ab. «Ich bin erst ein Jahr hier, da ist noch nichts fällig.» Sie sieht gequält zu mir auf. «Wenn die endlich fällig werden, Gott allein weiß, ob sie dann überhaupt noch was wert sind.» Sie schweigt kurz und sagt dann: «Ich würde lieber einfach kündigen und bei Holly und Spencer zu Hause bleiben.»
«Aber Sie können nicht?»
Schüttelt ganz langsam den Kopf. «Das Geld würde nicht reichen. Jared verdient einfach nicht genug.»
Aber Jared hat einen tollen Job. Verdient erheblich mehr als ich, da bin ich ziemlich sicher.
«So ein Glück», flüstert sie.
Ich hab das schon tausend Mal gehört, aber jetzt werde ich es endlich rauslassen.
«Ich glaube nicht, dass es hier um Glück geht, Tracy.» Ich lasse ihr einen Moment Zeit. «Ich meine, wie wär’s, wenn Sie einfach Ihre Ausgaben reduzieren?»
Sie tut, als hätte sie mich nicht gehört.
«Sie wissen schon, was ist mit Ihrem Auto? Sie könnten Ihren Audi einfach verkaufen. Für einen Bruchteil des Geldes kriegt man einen Kleinwagen.»
Absolute Stille.
«Was ist dann mit Jareds Rennboot? Verkaufen Sie das Ding, und Sie können mindestens ein Jahr lang zu Hause bleiben.»
«Das würde Jared niemals tun.» Sie klingt sogar noch ernüchterter als zuvor. «Niemals.»
«Was ist dann mit dem Oldtimer, den er eingelagert hat? Verkauft den.»
«Der ist wie ein Baby für ihn.»
Ich kann nicht mehr aufhören. Ich will auch gar nicht aufhören.
«Okay», sage ich. «Schön. Was ist mit dem Wochenendhaus in Rio del Mar? Wenn ihr
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