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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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näherte. Nachher zur Rede gestellt,wollt’ er’s nicht wahr haben, und aus Rache hat er mir die arme Amsel umgebrungen, die ich ihm donationieret. Gebe Gott, daß Sie nicht ähnliche Erfahrungen an ihm machen; er steckt voller Eitelkeit, meine Liebe, voller Eitelkeit, und wenn er den Gutmütigen agieret, ist der Schalk dahinter verborgen, und so man ihm den Willen bricht, ist es mit seiner Katzenfreundlichkeit am Ende. Wieviel wir auch durch sein detestables Betragen zu dulden hatten, Undank und Calomnie, aus unsern Lippen ist keine Klage gefahren, denn warum, man hätt’ ihm auch dann die Wahrheit nicht mehr glauben können, und ein Betrüger ist er nicht, nur ein armer Teufel, ein sehr armer Teufel. Ihnen und dem Herrn Gemahl glaube ich hingegen einen Gefallen zu erweisen, wenn ich die Decke lüpfe, unter der er seinen Unfug treibet; der gegen ihn so gütig gesinnte Graf Stanhope wird gewiß bald zu der schmerzlichen Entdeckung gelangen, daß er eine Schlange an seinem Busen nähret. Wäre der Herr Graf nur zu mir gekommen, dieses aber hat der Pfiffikus Hauser hintertrieben, und aus guten Gründen. Seien Sie nur recht wachsam, gute Frau; er hatte alleweil Heimlichkeiten, bald da, bald dort versteckt er was in einem Winkel, das läßt auf nichts Gutes schließen. Und nun bitte ich Sie oder den Herrn Gemahl, mir in einiger Zeit Nachricht zu geben, wie sich Ihr Zögling produzieret und was Sie von ihm halten, denn ohneracht alles Geschehenen nimmt er doch ein Plätzchen in meinem Herzen ein, und ich wünsche nur, daß er tätig an seiner Selbstbesserung arbeite, ehe er in die große Welt entrieret, wo er viel mehr Kraft und Beständigkeitvonnöten haben wird als in unsrer kleinen.
    Von mir selbst ist nicht viel Gutes zu sagen, ich bin krank; der eine Doktor meint, es ist ein Geschwür auf der Milz, der andre nennt’s eine
Maladie du cœur
. Die große Teuerung der Lebensmittel ist auch nicht angetan, einem die Laune zu verbessern, Gott sei Lob gehen die Mannsgeschäfte im allgemeinen gut.
    Bericht Hickels über den vollführten Auftrag der Übersiedlung Caspar Hausers:
    Ich traf am 7. ds. vorschriftsgemäß in Nürnberg ein, verfügte mich sogleich in die Wohnung des Freiherrn von Tucher, fand aber den Kuranden nicht zu Hause und erfuhr zu meiner Verwunderung, daß er sich den ganzen Nachmittag über aufsichtslos und unbekannt wo herumgetrieben habe, was doch gegen die Vorschrift ist, und daß er sich zurzeit beim Professor Daumer aufhalte, wahrscheinlich in der Absicht, die Reise zu verzögern und dabei die Unterstützung seiner Freunde zu finden. Denn als ich bei Herrn Daumer vorsprach, wurden zu besagtem Zweck alle möglichen Ausreden versucht, auch gefiel sich der Hauser selbst in einigen leicht durchschaubaren Schnurrpfeifereien, was mich aber nicht hinderte, auf der mir erteilten Weisung zu beharren. Eine strenge Inquisition nach seinem Verbleib während des Nachmittags blieb fruchtlos, der Bursche gab die albernsten Antworten von der Welt. Mein entschiedenes Auftreten hatte die Wirkung, daß von einer Verzögerung nicht weiter gesprochen wurde, um neun Uhr war der Wagen zur Stelle, es war großer Zulauf in den Gassen, die Leute,vermutlich insgeheim aufgehetzt, gebärdeten sich einigermaßen revoltant, wurden aber durch meine Drohung, daß ich die Wache aufziehen lassen würde, schnell eingeschüchtert. Dem Kutscher gebot ich Eile, und nach einer Viertelstunde hatten wir das Weichbild der Stadt verlassen. Während der ganzen drei Stunden bis zum Dorfe Großhaslach ließ mein Kurand nicht eine Silbe verlauten, sondern starrte ununterbrochen in die Dunkelheit hinaus; gewiß mag es ihm gar trübselig zumute gewesen sein, da er nun doch erkennen mußte, daß es mit seinen großen Hirngespinsten Matthäi am letzten war. Ich hatte den Sergeanten nach Großhaslach bestellt, und derweil die Pferde gefüttert und getränkt wurden, verfügten wir uns in die Poststube. Hauser legte sich daselbst alsogleich auf die Ofenbank und entschlief. Ich konnte aber des Verdachts nicht ledig werden, daß er sich nur schlafend stellte, um mich und den Sergeanten sicher zu machen und unser Gespräch zu belauschen. In diesem Argwohn bekräftigte mich auch das jedesmalige Blinzeln seiner Lider, wenn ich in nicht gerade schmeichelhaften Ausdrücken seiner Person erwähnte. Um der Sache auf den Grund zu gehen und zugleich herauszubringen, was es mit dem allerwärts verbreiteten Märchen von seinem steinernen Schlummer für eine

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