Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Situation wird mit der Zeit verschwimmen. Aber du bist stark. Du wirst dir alles ins Gedächtnis zurückrufen.«
Ein weiterer Teil des roten Gartentags ist wieder lebendig geworden. Ja, ich kann mir alles ins Gedächtnis zurückrufen. Großvater hat es gesagt. Ich nehme Kys Hand noch fester in meine und singe weiter.
Winde wehen unter Bäumen, über jeden Hügelkamm.
Weithin jenseits aller Grenzen, die man sehen kann.
Ich werde ihm vorsingen, bis das Sterben aufgehört hat, und dann werde ich das Heilmittel finden.
Kapitel 39
Ky
Weithin jenseits aller Grenzen, die man sehen kann.
Ich bin im Meer.
Ich werde ans Ufer gespült und wieder hineingezogen. Drüber, drunter. Nach unten. Und weiter hinunter.
Indie ist dort im Meer.
»Du hast hier nichts zu suchen!«, sagt sie verärgert. So kenne ich sie. »Das ist mein Platz. Ich habe ihn gefunden.«
»Du kannst nicht das ganze Wasser der Welt besitzen.«
»Doch«, erwidert sie. »Und den Himmel. Alles, was blau ist, gehört jetzt mir.«
»Die Berge sind blau«, erwidere ich.
»Dann gehören sie mir.«
Auf und ab wiegen uns die Wellen. Ich fange an zu lachen. Indie auch. Mir tut nichts mehr weh. Ich fühle mich leicht. Vielleicht habe ich gar keinen Körper mehr.
»Ich mag die See«, sage ich zu Indie.
»Ich habe immer gewusst, dass du sie mögen würdest. Aber du kannst mir nicht folgen.« Sie lächelt. Dann taucht sie unter die Wellen und ist verschwunden.
Kapitel 40
Cassia
Anna steht in der Tür der Krankenstation. »Cassia«, sagt sie, »komm mit uns.«
»Ich kann nicht«, antworte ich ihr und blättere weiter durch meine Notizen, auf der Suche nach den Blumen, die Anna erwähnt hat. Mormonentulpe. Castilleja. Meerträubel. Anna hat mir versprochen, die Blumen für mich zu zeichnen. Hat sie es vergessen? Ich will sie schon fragen, doch sie fährt fort.
»Nicht einmal, um bei der Abstimmung dabei zu sein?« Die Dorfbewohner und die Farmer haben sich draußen versammelt, um zu entscheiden, was mit den Heilmitteln geschehen soll, die Oker, Xander und die anderen Assistenten angemischt haben. Es herrscht Uneinigkeit darüber, welche man zuerst ausprobieren und wie vorgegangen werden soll.
»Nein«, erwidere ich Anna. »Ich muss mich konzentrieren. Irgendetwas habe ich übersehen. Und ich muss hier auf der Station bleiben. Jemand hat Ky die Infusion abgezogen. Ich habe es selbst gesehen. Ich kann nicht weg.«
»Stimmt das?«, fragt Anna einen der Medics.
Unsicher zuckt er mit den Schultern und sagt: »Möglich wäre es, obwohl ich nicht wüsste, wie. Es ist immer jemand in Bereitschaft. Und wer aus dem Dorf würde den Patienten schaden wollen? Wir wollen doch alle, dass sie wieder gesund werden.«
Weder Anna noch ich ziehen den naheliegenden Schluss, nämlich, dass möglicherweise nicht alle im Dorf dasselbe wollen.
»Ich habe einen Stein für dich angefertigt«, sagt Anna und reicht mir einen kleinen Kiesel mit meinem Namen darauf. Cassia Reyes. Zum ersten Mal hebe ich den Blick und sehe sie an. Ihr Gesicht und ihre Arme sind über und über mit blauen Linien bemalt. Sie bemerkt, wie ich sie betrachte, und erklärt: »An Wahltagen trage ich die zeremoniellen Zeichen, eine Tradition aus den Canyons.«
Ich nehme den Stein von ihr an und frage: »Ich habe also eine Stimme?«
»Ja«, sagt Anna. »Der Dorfrat hat beschlossen, dass Xander und du jeder einen Stein erhalten, genau wie alle anderen.«
Die Geste rührt mich. Die Leute hier haben Vertrauen in mich und Xander gewonnen. Doch ich sage: »Ich möchte Ky trotzdem nicht allein lassen. Könnte jemand den Stein für mich werfen?«
»Ja, das ginge«, sagt Anna, »aber ich finde, du solltest bei der Abstimmung dabei sein. Jede wichtige Persönlichkeit sollte anwesend sein.«
Wen meint Anna? Ich bin doch keine wichtige Persönlichkeit.
»Wärst du damit einverstanden, wenn Hunter so lange hierbleibt und aufpasst?«, fragt Anna. »Nur für ein paar Augenblicke, damit du deine Stimme abgeben kannst?«
Ich blicke Hunter an und denke daran, wie ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, als er seine Tochter beerdigte und ihr das wunderbare Gedicht auf den Grabstein schrieb. »Gut«, sage ich. Es wird nicht lange dauern, und dabei kann ich Anna gleich noch einmal nach den Blumen fragen.
Hunter legt Anna seinen Stein in die Hand und sagt: »Ich schließe mich Leynas Entscheidung an.«
Anna nickt. »Ich werfe ihn für dich.«
Anna hatte recht.
Was ich miterlebe, ist so außergewöhnlich, dass es mir
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