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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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Handgelenken. Das Netz bedeckt den Rücken, die Körpervorderseite, die Seiten und die Achseln. An einer Stelle in der Nähe des Herzens befindet sich eine kleine silberne Scheibe, etwa in der Größe eines Mikrochips.
    »Wozu ist das da?«, fragt Eli.
    Ich muss lachen und löse die blauen Drähte von der Scheibe, wonach ich sie vorsichtig um die roten wickle. Den Heizmechanismus möchte ich nicht beschädigen, der funktioniert sehr gut. »Nicht, weil man sich um uns sorgt«, antworte ich Eli, »sondern weil die Gesellschaft gerne Daten sammelt.« Als ich die silberne Scheibe abgetrennt habe, halte ich sie hoch. »Ich wette, die hier speichert Daten wie unsere Pulsfrequenz, unseren Wasserhaushalt, den Zeitpunkt unseres Todes. Und alles andere, was sie unbedingt über uns wissen wollen, während wir in den Dörfern leben. Sie benutzen sie nicht, um uns ständig zu überwachen. Aber sie speichern unsere Daten, um sie dann einzusammeln, nachdem wir gestorben sind.«
    »Die Mäntel verbrennen nicht immer«, bemerkt Vick.
    »Und selbst wenn: Die Scheiben sind feuerfest«, erwidere ich. Grinsend sage ich zu Vick: »Wir haben es ihnen ganz schön schwergemacht, indem wir die vielen Leichen begraben haben.« Doch das Grinsen vergeht mir, als ich an all die Toten denke, die die Wächter inzwischen wohl wieder aus der Erde gezerrt haben, nur um ihnen die Mäntel auszuziehen.
    »Der erste Junge, den wir in den Fluss getragen haben«, erinnert sich Vick. »Wir mussten ihm vorher den Mantel ausziehen.«
    »Aber wenn wir ihnen egal sind, warum wollen sie dann unsere Daten?«, wendet Eli ein.
    »Der Tod«, antworte ich, »gehört zu den wenigen Dingen, die sie noch nicht im Griff haben. Sie wollen mehr darüber in Erfahrung bringen.«
    »Wir sterben, und sie lernen daraus, zu überleben.« Elis Stimme klingt weit weg, als denke er nicht nur an die Mäntel, sondern noch an etwas anderes.
    »Ich frage mich, warum sie uns nicht daran gehindert haben, die Leichen zu begraben«, sagt Vick. »Wir haben das wochenlang gemacht.«
    »Keine Ahnung«, erwidere ich. »Vielleicht wollten sie sehen, wie lange wir das durchhalten.«
    Für einen Moment spricht keiner von uns ein Wort. Ich ziehe die blauen Drähte heraus, wickle sie auf und lege sie – die Innereien der Gesellschaft – unter einen Stein. »Wollt ihr, dass ich eure auch rausziehe?«, frage ich. »Es dauert nicht lange.«
    Vick reicht mir seinen Mantel. Jetzt, wo ich weiß, wo die blauen Drähte verlaufen, kann ich die Einschnitte vorsichtiger anbringen. Ich öffne das Futter nur an ein paar Stellen und ziehe die Drähte hindurch. Aus der Öffnung über dem Herzen entferne ich die Scheibe.
    »Wie willst du deinen wieder reparieren?«, fragt Vick, als er in seinen Mantel hineinschlüpft.
    »Ich muss ihn erst mal so tragen und später austüfteln, wie ich ihn zusammennähen kann«, antworte ich. In der Nähe wächst eine Pinie, aus deren Rinde Harz tropft. Ich kratze ein wenig davon ab und klebe damit die Ränder meines zerschnittenen Futters an einigen Stellen zusammen. Der intensive, erdige Duft des Harzes erinnert mich an die hochgewachsenen Fichten auf dem Hügel. »Wahrscheinlich hält er immer noch warm genug, solange ich die roten Drähte nicht beschädige.«
    Ich greife nach Elis Mantel, aber er hält ihn fest. »Nein«, sagt er. »Schon gut. Mir macht das nichts aus.«
    »In Ordnung«, erwidere ich überrascht, aber gleich darauf ahne ich seinen Beweggrund. Die winzige Scheibe bringt uns der Unsterblichkeit so nahe wie nur möglich, wenn auch nicht so nahe wie die Gewebeproben, die von Bürgern aufbewahrt werden. Sie sollen eines Tages, wenn die Gesellschaft die nötige Technik entwickelt hat, eine Chance auf ein neues Leben bieten.
    Ich glaube nicht, dass man das jemals schaffen wird. Nicht einmal die Gesellschaft kann Menschen wieder zum Leben erwecken. Wahr ist jedoch, dass unsere Daten in der Gesellschaft ewig weiterleben, immer und immer wieder neu aufgerollt werden, um der Gesellschaft die Statistiken zu verschaffen, die sie braucht. Genauso, wie die Erhebung die Legende vom Steuermann wiederholt.
    Ich weiß von der Rebellion und ihrem Anführer schon, solange ich denken kann.
    Doch ich habe Cassia nie davon erzählt.
    Dabei stand ich schon kurz davor, als ich ihr an jenem Tag auf dem Hügel die Geschichte von Sisyphus erzählte. Nicht die Version der Erhebung, sondern die, die ich am liebsten mag. Cassia und ich standen in dem dichten grünen Wald. Beide trugen wir

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