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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Condie
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was von uns bleibt. Sie bestimmt, was in deine Biographie aufgenommen wird.« Trotzdem wünschte ich, ich hätte mir genügend Zeit für Großvaters Mikrochip genommen, bevor ich fortging. Großvater hat frei entschieden, was von ihm übrig blieb, jedenfalls im Hinblick auf die Konservierung: nämlich nichts.
    »Hat es in dem Dorf, in dem du aufgewachsen bist, auch solche Steine gegeben?«, frage ich Ky, und kaum ist es heraus, wünschte ich, ich hätte noch nicht nach diesem Teil seiner Geschichte gefragt.
    Ky sieht mich an. »Nicht für meine Eltern«, antwortet er. »Dazu blieb keine Zeit.«
    »Ky«, sage ich, aber er wendet sich ab und geht an einer neuen Reihe von Steinen entlang. Meine Hand wird kalt, jetzt, wo er sie nicht mehr in seiner hält.
    Ich hätte nicht einfach so drauflosplappern sollen. Außer Großvater waren die Toten, die ich bisher gesehen habe, keine Menschen, die mir sehr nahestanden. Es ist, als hätte ich einen Blick in eine lange, dunkle Schlucht geworfen, die ich noch nicht durchqueren musste.
    Als ich zwischen den Steinen hindurchwandere, wobei ich darauf achte, nicht darauf zu treten, erkenne ich, dass die Gesellschaft und Hunter recht gehabt haben, was die Lebenserwartung hier draußen betrifft. Die meisten Menschen sind keine achtzig Jahre alt geworden. Außerdem liegen auch noch andere Kinder in der Erde, nicht nur die Kleine, die Hunter begraben hat.
    »So viele Kinder sind hier gestorben!«, sage ich, unwillkürlich meine Gedanken aussprechend. Ich habe gehofft, das Mädchen gestern sei eine Ausnahme gewesen.
    »Auch in der Gesellschaft sterben manche Menschen jung«, gibt Ky zu bedenken. »Denke nur an Matthew.«
    »Matthew«, wiederhole ich, und als ich seinen Namen höre, erinnere ich mich auf einmal tatsächlich wieder an ihn. Zum ersten Mal seit Jahren denke ich mit seinem richtigen Vornamen an ihn und nicht nur als ›den ersten Markham-Jungen‹, der in einer seltenen Tragödie durch die Hände einer Anomalie starb.
    Matthew.
Vier Jahre älter als Xander und ich, so viel älter, dass er für uns unberührbar, unerreichbar war. Er war ein netter Junge, der uns auf der Straße grüßte, uns aber Jahre voraus war. Er trug seine Tabletten selbst und besuchte die Höhere Schule. Der Junge, an den ich mich erinnere, jetzt, wo mir sein Name wieder präsent ist, hatte durchaus Ähnlichkeit mit seinem Cousin Ky, war aber größer und kräftiger und nicht so geschwind und behände.
    »Aber nicht so viele«, erwidere ich. »Nur er.«
    »Er ist er Einzige, an den du dich erinnerst.«
    »Sind noch andere gestorben?«, frage ich erschrocken.
    Ein Geräusch hinter mir lässt mich zurückblicken. Es sind Eli und Indie, die die Tür zu unserem Haus auf Zeit hinter sich schließen. Eli hebt die Hand und winkt mir zu, und ich winke zurück. Es ist inzwischen vollständig hell geworden; Hunter wird bald hier sein.
    Ich blicke hinunter auf den Stein, der erst gestern niedergelegt wurde und berühre den Namen, der darin eingraviert ist. SARAH. Sie hatte nicht lange zu leben, sie ist nur fünf Jahre alt geworden. Unter den Daten steht ein Spruch, und mit einer Gänsehaut erkenne ich, dass er aus einem Gedicht stammen könnte.
    ALS PLÖTZLICH DURCH DEN JUNI FÄHRT
    MIT FINGERN EIN KALTER HAUCH
    Ich greife nach Kys Hand und halte sie, so fest ich kann. Damit der kalte Wind, der uns umweht, nicht versucht, ihn mir mit seinen gierigen Fingern zu stehlen.

Kapitel 31 KY

    Als Hunter sich zu uns gesellt, trägt er eine mit Wasser gefüllte Feldflasche und mehrere zusammengerollte Seile über der Schulter. Bevor ich eine Frage stellen kann, meldet sich Eli zu Wort.
    »War sie deine Schwester?« Er zeigt auf den frischen Grabstein.
    Hunter blickt nicht hinunter auf das Grab. Ein schmerzlicher Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Habt ihr sie gesehen? Wie lange habt ihr mich schon beobachtet?«
    »Lange«, antwortet Eli. »Wir wollten mit dir reden, aber erst warten, bis du fertig warst.«
    »Wie nett von euch«, entgegnet Hunter tonlos.
    »Es tut mir leid«, sagt Eli. »Wer immer sie war, es tut mir sehr leid.«
    »Sie war meine Tochter«, sagt Hunter. Cassia reißt die Augen auf. Ich weiß, was sie denkt:
Seine Tochter? Aber er ist noch so jung, erst zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Garantiert nicht neunundzwanzig, in der Gesellschaft das Mindestalter für jemanden mit einem fünfjährigen Kind.
Aber dies ist nicht die Gesellschaft.
    Indie durchbricht als Erste das Schweigen. »Wohin gehen wir?«, fragt

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