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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Eis spendiert. Sie stand etwa fünf Meter von Vater und Mutter entfernt, die sich gerade wegen irgend etwas stritten, und es war durchaus möglich, daß Vater Sarah jeden Augenblick schlagen oder Sarah ihm eine Ohrfeige geben würde. Miß Deale starrte sie an. Ich mußte nervös schlucken und wünschte, daß Miß Deale weitergehen oder wenigstens woanders hinschauen würde, aber sie blieb wie angewurzelt stehen und lauschte.
    Ich fragte mich, was sie in diesem Augenblick wohl dachte, aber ich habe es nie erfahren.
    Keine Woche verging, in der sie Vater nicht einen Brief über Tom und mich zukommen ließ. Er war selten zu Hause; und wenn er auch dagewesen wäre, er hätte ihre kleine, saubere Handschrift gar nicht lesen können; und wenn er es gekonnt hätte, so hätte er ihr trotzdem niemals geantwortet. Erst letzte Woche hatte sie ihm geschrieben:
     
    Sehr geehrter Mr. Casteel,
    sicherlich sind Sie sehr stolz darauf, daß Tom und Heaven zu meinen besten Schülern gehören. Ich würde gerne zu einem geeigneten Zeitpunkt mit Ihnen zusammenkommen, um die Möglichkeit eines Stipendiums für Ihre beiden Kinder zu besprechen.
    Hochachtungsvoll
    Marianne Deale
     
    Gleich am nächsten Tag erkundigte sich Miß Deale bei mir: »Heaven, hast du ihm den Brief nicht gegeben? Er wird doch bestimmt nicht so unhöflich sein und meinen Brief nicht beantworten. Du liebst ihn sicher sehr.«
    »Und wie ich das tue«, gab ich zynisch zur Antwort.
    Miß Deale bekam schmale Augen und starrte mich mit einem seltsamen Ausdruck an. »Ich bin entsetzt, richtig entsetzt! Liebst du deinen Vater etwa nicht, Heaven?«
    »Aber natürlich liebe ich ihn, Miß Deale, wirklich. Besonders wenn er ›Shirley’s Place‹ besucht.«
    »Heaven! Du solltest so etwas nicht sagen. Was weißt du schon über ein solches Haus?« Sie hielt inne und sah verlegen drein. Sie senkte die Augen, bevor sie mich fragte: »Geht dein Vater wirklich dorthin?«
    »Bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bietet – sagt Mutter jedenfalls.«
    Am nächsten Sonntag sah Miß Deale nicht mehr voller Bewunderung in Richtung Vater; im Gegenteil, sie würdigte ihn keines Blickes.
    Auch wenn Vater bei Miß Deale in Ungnade gefallen war, so wartete sie immer noch im Laden auf uns fünf Kinder, während Vater und Mutter sich mit ihren Freunden aus den Bergen unterhielten. Unsere-Jane rannte mit offenen Armen auf unsere Lehrerin zu und schmiegte sich an Miß Deales blauen Rock. »Hier bin ich!« rief sie begeistert. »Kriege ich wieder ein Eis?«
    »Das tut man nicht, Unsere-Jane«, ermahnte ich sie sofort.
    »Du solltest abwarten, bis Miß Deale dir ein Eis anbietet.«
    Unsere-Jane schmollte und Fanny auch. Beide hingen sie mit großen, treuen Hundeaugen an unserer Lehrerin.
    »Macht doch nichts, Heaven«, sagte Miß Deale lächelnd.
    »Warum, glaubst du wohl, komme ich hierher? Ich mag selber gerne Eis, und es gefällt mir überhaupt nicht, wenn ich es allein essen muß. Also kommt her und sagt mir, welches Eis ihr diese Woche haben wollt.«
    Es war leicht zu erkennen, daß Miß Deale Mitleid mit uns hatte und uns wenigstens am Sonntag etwas gönnen wollte. Im Grunde genommen war es nicht richtig, weder für sie noch für uns. Uns fehlte ja so verdammt vieles, aber es war wichtig, daß wir unseren Stolz bewahrten. Doch unser Stolz wurde jedesmal besiegt, wenn es darum ging, zwischen Erdbeer-, Schokoladen- und Vanilleeis zu wählen. Nicht auszudenken, wie lange unsere Wahl gedauert hätte, wenn es noch mehr Sorten gegeben hätte.
    Tom entschied sich für Vanilleeis, und ich wählte ein Schokoladeneis, aber Fanny wollte Erdbeer-, Schokoladen- und Vanilleeis zugleich, und Keith wollte dasselbe wie Unsere-Jane, und Unsere-Jane konnte sich nicht entscheiden. Sie sah den Mann hinter der Theke an, schaute verträumt auf die riesigen Bonbon-Gläser, beobachtete ein Mädchen und einen Jungen, die gerade Eissoda verspeisten – und zögerte wieder.
    Fanny öffnete gerade den Mund, um mit allen ihren Wünschen herauszuplatzen. Schnell griff ich ein. »Miß Deale, geben Sie Unserer-Jane ihr Vanilleeis, mit dem sie sich sowieso bekleckern wird. Das ist mehr als genug. Wir haben alles, was wir brauchen, zu Hause.«
    Fanny stand hinter Miß Deales Rücken und schnitt fürchterliche Grimassen. Sie quengelte so lange, bis Tom seine Hand auf ihren Mund preßte und sie zum Schweigen brachte.
    »Vielleicht geht ihr eines Tages alle mit mir zum Mittagessen«, sagte Miß Deale beiläufig nach einer kleinen

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