Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
selbstbewußter junger Mann geworden! Ich wußte, daß er ein ausgezeichneter Student war und sowohl Mitglied der berühmten Rudergruppe als auch des erfolgreichen Debattierclubs. Wenn ich die beiden so ansah, konnte ich mir kaum vorstellen, daß sie einst an mir hingen wie zwei kleine Äffchen mit bleichen Gesichtern und dicken Ringen unter den Augen. Es war mir fast unmöglich, mich an ihre zarten, kleinen Stimmen zu erinnern; wie sie: »Hev-lee, Hev-lee« riefen, wenn sie nach etwas zu essen, verlangten in der Zeit, wo Tom und ich Vater und Mutter für sie sein mußten. Vielleicht war es gut, daß es mir schwerfiel, mich an diese harte Zeit zu erinnern, dachte ich. Es war sicher das Beste so. Ich wünschte, es wäre genauso schwer, mich an andere, ebenfalls sorgenvolle Zeiten zu erinnern.
»Wir wußten immer, daß ihr zwei eines Tages heiraten würdet«, sagte Jane. »Es ist alles so romantisch. Ihr zwei seid einfach für einander bestimmt. Heaven, ich… ich bin so glücklich für dich. Ich kann mir vorstellen, ganz Winnerow hat sich den Mund zerrissen, als es bekannt wurde.«
»Wie sieht es in Winnerow aus?« fragte Keith mit einem kleinen Grinsen. Er hatte keine guten Erinnerungen daran, und so fühlte er auch kein Verlangen zurückzukehren, nicht einmal zu einem kurzen Besuch.
»Es ist immer das gleiche«, sagte Logan, der plötzlich an meiner Seite aufgetaucht war. Er sah in seinem Frack sehr stattlich aus. Er hatte eine weiße Nelke ins Knopfloch gesteckt.
»Logan Stonewall«, rief Jane aus. »Wie gut du aussiehst!«
»Und wie groß und wie schön du geworden bist, Unsere-Jane«, antwortete er ihr.
»So ruft mich jetzt niemand mehr«, sagte sie und wurde rot.
Logan wandte sich an Keith. »Du bist sicher noch gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Heaven hat mir immer von deinen Leistungen am College erzählt. Sie ist sehr stolz auf dich. Stolz auf euch beide. Wir brauchen bald junge Männer wie dich in Winnerow. Es wird sich dort einiges grundlegend ändern.«
»Ja?« fragte Keith.
»Wir sprechen später darüber«, sagte Logan. »Jetzt hole ich uns erst einmal Champagner und etwas zu essen, oder, Heaven?«
Ich küßte ihn, und er ging los und ließ mich mit Keith und Jane allein.
»Was ist das für ein wunderbares Fest«, rief Jane. Gerade hatte die Kapelle am Swimmingpool angefangen zu spielen, und die ersten Gäste tanzten schon.
»Du mußt mir alles erzählen, Unsere-Jane… Ich meine, Jane«, sagte ich und nahm sie noch einmal in den Arm.
»Du darfst mich Unsere-Jane nennen, wenn du es möchtest, Heaven. Ich bin ja so froh, dich zu sehen.« Sie klatschte in die Hände, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte, wenn sie aufgeregt gewesen war. »O Heaven, ich kann jetzt nicht still stehen bleiben. Macht es dir etwas aus, wenn ich ein bißchen herumgehe? Ich wollte dich eigentlich nicht so schnell allein lassen, aber all diese Blumen, der Swimmingpool und – «
»Geht ihr junges Volk nur los und macht euch eine gute Zeit, die beste Zeit eures Lebens. Wir sehen uns später«, sagte ich.
Sie gingen Arm in Arm davon. Ich beobachtete sie noch eine Weile, wie sie miteinander lachten, sich gegenseitig ins Ohr flüsterten, Witze machten und kicherten. Sie waren sich immer noch sehr nahe, sehr empfindsam für die Gefühle und Stimmungen des anderen. In dem hintersten Winkel meines Herzens war ich neidisch auf ihre Beziehung. Früher einmal waren Tom und ich ähnlich eng verbunden gewesen. Dadurch, daß ich sie zusammen sah, fühlte ich mich klein und einsam.
Sollte ich immer ein Waisenkind bleiben? Würde ich nie das Gefühl erfahren, wirklich jemandem zu gehören? Aber ich widersprach mir selbst: Schau, was Tony alles für dich getan hat! Wahrscheinlich war es letzten Endes doch Farthy, wo ich hingehörte.
Meine Augen suchten Logan. Ich wünschte mir, daß er neben mir stand, mich unterhakte und den ganzen Empfang über als mein Gatte bei mir war. Aber wann immer ich ihn auch erblickte, immer war da Tony, der ihn von einem Geschäftsfreund zum nächsten zog und ihn mit der Creme de la Creme der Bostoner Gesellschaft bekanntmachte.
Ein bißchen traurig ließ ich Logan bei Tony zurück und ging zu dem Innenhof am Swimmingpool. Tony mochte keinen Rock ‘n’ Roll, deshalb spielte die Kapelle nur klassische Musik und angenehme Unterhaltungsmusik. Die Gäste tanzten Jitterbug zu »In the Mood«. Andere saßen an kleinen Tischen, unter bunten Sonnenschirmen und aßen; wiederum
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