Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
Lächeln zu imitieren.
»Ich weiß es nicht. Ich fühle mich wie jemand, der fortgerissen wird. Ich muß nachdenken… über vieles nachdenken.«
»Gut«, sagte Tony. »Kümmern wir uns besser um die Dinge draußen.« Er schaute auf seine Uhr. »Für den Empfang morgen bleibt uns nicht mehr viel Zeit.« Er ging los, blieb aber an der Schlafzimmertür stehen und wandte sich zu mir um. »Sei nicht böse mit mir, Heaven, daß ich mich um dich kümmere und möchte, daß du glücklich bist«, sagte er und ging hinaus, bevor ich antworten konnte.
»Logan Stonewall«, sagte ich, wirbelte herum und schaute ihm ins Gesicht, »hast du etwas davon gewußt, ehe wir nach Farthy kamen? Sag mir die Wahrheit!«
»Was… natürlich nicht… wie sollte ich denn?« Er hob seine Arme, um seine Unschuld zu unterstreichen. Ich beobachtete ihn eine Zeitlang und kam zu dem Ergebnis, daß er die Wahrheit sagte. »Warum bist du denn überhaupt so aufgeregt? Schau dich doch um! Ist es nicht schön hier?«
»Das sehe ich. Aber erinnere dich bitte an das, was ich vorhin zu dir sagte… über Männer wie Tony, die immer kriegen, was sie wollen. Verstehst du denn nicht? Er muß damit schon vor einiger Zeit angefangen haben. Er muß schon immer geplant haben, daß wir hierherkommen und du für ihn arbeitest.«
»Das kann ich nicht glauben«, sagte Logan. »Wie konnte er das wissen?«
»Ich glaube es«, sagte ich. »Aber vielleicht spielt das jetzt keine Rolle mehr. Vielleicht ist das alles ein Teil unseres Schicksals.« Ich blickte noch einmal über die Räume. »Komm«, sagte ich, »machen wir uns fertig zum Essen.«
Kopfschüttelnd folgte mir Logan aus dem Zimmer. Wie konnte ich erwarten, daß er verstand, welche Kräfte hier in Farthy am Werk waren? Es war die Macht jener Geister und Schatten, die Rye Whiskey fürchtete. Es war das Geheimnis von dem großen Haus und seinem verborgenen Untergrund. Selbst ich, eine geborene Tatterton und damit den Stimmen der Vergangenheit zugänglich, verstand nicht in vollem Ausmaß, wie groß die Macht war, die sie über mich hatten.
Ich sollte von diesem Ort fliehen, dachte ich. Ich sollte fortlaufen und zurückkehren in die Willies, wo ich mich in Grandpas Hütte sicher und geborgen fühlte. Aber das Echo dieses Gedankens verhallte schnell und wurde ersetzt durch das Echo Logans und meiner Schritte, als wir den Korridor entlanggingen.
Ich fühlte mich mitgerissen wie ein Blatt von einem Windstoß, mitgerissen von Kräften, die weitaus stärker waren als ich.
4. KAPITEL
Der große Empfang
Wie aufgereiht standen die Limousinen auf der Auffahrt von Farthinggale. Es waren Cadillacs, Lincolns, Rolls-Royce- und Mercedes-Limousinen. Tony hatte sich selbst übertroffen und alle wichtigen Geschäftsleute und Politiker aus der Gegend eingeladen. Ich wußte, daß alles, was er Logan und mir bis jetzt präsentiert hatte, bescheiden war im Verhältnis zu dem, was jetzt kommen würde.
Jedes Mädchen träumt von einem großen Empfang zu seiner Hochzeit. Und was ich hier zu sehen bekam, diese Extravaganz, hinter der meine ausschweifendsten Träume weit zurückblieben, ließ all meine dunklen Gedanken über Tony verschwinden. Es machte mir klar, wie unglaublich glücklich ich doch war. Ich hatte viel, für das ich dankbar sein mußte. Zu wissen, daß dieser ganze Überfluß, daß all diese gutgekleideten Leute mit ihren teuren Autos gekommen waren wegen Logan und mir, erfüllte mich mit einer Freude, die ich kaum ertragen konnte.
Plötzlich sah ich, wie Keith und Unsere-Jane aus einem schwarzen Auto stiegen. Mit ausgestreckten Armen lief ich auf sie zu. Jane war inzwischen eine überwältigend aussehende Achtzehnjährige. Sie war nur ein paar Zentimeter kleiner als ich, hatte aber eine vollere Figur. Ihr ungebändigtes, rotblondes Haar umrahmte ein zartes ovales Gesicht. Daraus leuchteten türkisfarbene Augen so sanft, so verwundbar, daß bei ihrem Anblick auch der zynischste Mann in einen stammelnden Schuljungen verwandelt wurde.
»Heaven«, rief sie. »Heaven, ich bin so glücklich für dich.«
Auch Keith sah sehr gut aus. Er war so groß wie Pa. Sein braunes Haar war dicht und voll, seine bernsteinfarbenen Augen leuchteten. So gutaussehend und braungebrannt, entsprach er ganz der Vorstellung, die man sich von einem Harvard-Studenten machte.
»Ich gratuliere dir, große Schwester.« Er grinste und schob sich dann wieder seine Pfeife in den Mund. Was war Keith doch für einstattlicher,
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