Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
ich dich vom Meer her rufen hörte und es nun keinen Grund mehr gäbe davonzulaufen. Ich konnte nicht davonlaufen. Nicht vor dir, nicht vor der Erinnerung an dein Gesicht, deine Stimme und deine Berührung.
Ich beschloß in jener Nacht, zurückzukehren und die Natur und die Götter, wenn es denn nötig sei, herauszufordern. Ich würde zu dir zurückkehren und dich bitten, zu mir zurückzukommen. Ich war bereit, als Ausgestoßener zu leben, alles und jedes aufzugeben, wenn wir nur Zusammensein könnten, und sollte es auch nur sein, um dich in den Armen zu halten, während draußen der Winterwind um die Hütte pfeift. Das wäre mir schon genug, dachte ich, denn wenn ich vor meinem dreißigsten Geburtstag sterben würde, wie ich immer gefürchtet hatte, dann würde ich in deinen Armen sterben. Dorthin gehörte ich.«
»O Troy, lieber, lieber Troy. Warum hast du nicht geschrieben? Warum hast du nicht versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen?« schrie ich.
»Darauf kam es nicht mehr an. Bis ich mich dazu entschlossen hatte, warst du schon mit Logan verlobt.«
»Aber woher hast du das gewußt?« fragte ich. Er lächelte und trank seinen Tee aus.
»Kurz vor deiner Hochzeit bin ich in Winnerow gewesen. Ich hatte mich verkleidet und stand tatsächlich im Drugstore von Logans Eltern. So konnte ich die Unterhaltung hören und erfuhr auf diese Weise von deiner Verlobung. Dann drehte ich mich um und ging. Anstatt weiterhin incognito herumzureisen, beschloß ich, zur Hütte zurückzukehren und dort meine Tage zu beschließen. Seither bin ich hier.
Deinen Hochzeitsempfang in Farthy habe ich gesehen, denn ich stand heimlich hinter einer der Hecken im Labyrinth. Du hast so schön ausgesehen, und Tony sah sehr glücklich aus. Ich bin sogar dir und Logan über das Grundstück gefolgt, als ihr eure Flitterwochen dort verlebt habt. Von weitem habe ich euch nachspioniert und dabei geträumt, daß ich derjenige sei, der dich in seinen Armen hält; ich war es, den du geküßt hast. Eine Zeitlang war meine Phantasie so lebhaft, daß ich dich förmlich neben mir fühlte. Das war falsch; ich weiß es«, sagte er schnell. »Aber bitte vergib mir. Ich konnte nicht anders.«
»Natürlich vergebe ich dir. Ich kann mir vorstellen, wie schlimm das Zusehen für dich gewesen sein muß, ohne daß ich dich bemerkt habe.« Oh, mein Troy, der zusehen mußte, wie ich Logan heiratete! Ich konnte es nicht ertragen, mir das vorzustellen.
»Es war hart, unerträglich hart.« Seine dunklen Augen blitzten das erste Mal vor Leben und Licht. »Ich wollte doch, daß du mich siehst; ich versuchte, Mut für diesen Augenblick zu schöpfen«, sagte er. »Gestern nacht bin ich, da ich wußte, daß Logan nicht hier war, zu deinem Zimmer gegangen, nachdem du mit Tony von irgendwoher wiedergekommen bist.«
»Ich habe letzte Nacht etwas gespürt, obwohl ich nicht wußte, daß du es warst. Ich bin aufgewacht und habe aufgeschrien, weil ich die Silhouette eines Körpers in der Dunkelheit wahrnehmen konnte.«
Er starrte mich einen Augenblick lang an.
»Warum bist du heute hierher gekommen?« fragte er leise. »Hast du angenommen, daß ich es sein könnte?«
»Nein. Ich war zwar wie hypnotisiert, aber ich ahnte nicht, daß ich dich vorfinden würde. Als mir klar wurde, daß sich hier jemand aufhielt, dachte ich, es sei jemand, den Tony angestellt hätte, um hier zu arbeiten. Ich dachte, er hätte mich angelogen, und ich wollte diese Person stellen. Dann hatte ich plötzlich den Eindruck, als ob ich in der Gegenwart von etwas Übernatürlichem, vielleicht eines Geistes, sei.«
»Ich bin kein Geist, Heaven. Nicht mehr.« Er setzte sich zurück und blickte mich unverwandt an. »Du hast dich verändert, bist älter geworden, weiser. Deine Schönheit ist gereift. Daß ich dir jetzt so nah bin, daß ich sogar deine Stimme höre, läßt mich erzittern.«
Er beugte sich vor und streckte den Arm aus, um mein Gesicht zu berühren. Ich blieb unbeweglich sitzen, aber ich fühlte seine Finger nicht auf meiner Haut. Langsam lehnte er sich zurück.
»Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, der vom Feuer fasziniert ist und es anfassen will, obwohl ich weiß, daß mir dies nichts als Schmerz einbringt.«
»O Troy«, sagte ich. Warme Tränen quollen mir aus den Augenwinkeln und flossen über mein Gesicht. Er streckte erneut den Arm nach mir aus, und dieses Mal fühlte ich genau, wie seine Fingerspitzen meine Haut streichelten. Ich schloß die Augen.
»Wie oft ist es möglich, dich
Weitere Kostenlose Bücher