Casteel-Saga 03 - Gebrochene Schwingen
Gemeinsam schritten wir nun hinauf und kehrten zur Welt des Lichts und des Lebens zurück. Nur das Echo unserer Schritte war hinter uns zu hören, als wir leise vorangingen. Jedoch wurde jeder Laut von der Dunkelheit wie ein Schwamm aufgesogen und schnell erstickt. Mein Herz klopfte so heftig, daß ich mir sicher war, er müßte die Schläge durch meine Finger spüren. Mir schien es, als ob ich das Leben in ihn zurückpumpte und ihn mit jedem Moment, der vorüberging, mehr und mehr zum Leben erweckte. Bald erreichten wir den Keller der Hütte. Er trat einen Schritt zurück, damit ich als erste die Treppe hinaufgehen konnte. Ich sah mich um und zögerte, weil ich befürchtete, ihn zu verlieren. Sobald ich seine Hand losließ, würden möglicherweise die Mächte der Dunkelheit ihn zurück in die Gänge und in die Vergangenheit saugen. Aber er blieb dicht hinter mir und schloß die Tür, nachdem wir die Hütte betreten hatten.
»Kurz vor deiner Ankunft wollte ich mir gerade eine Tasse Tee machen«, sagte er beiläufig. Das klang so, als ob die letzten beiden Jahre wie nichts verflogen wären – dies hier wäre nur einer meiner amourösen Besuche. »Möchtest du eine Tasse?«
»Gern. Danke«, sagte ich. Ich setzte mich schnell an den Tisch, weil ich weiche Knie hatte. Er ging hinüber zum Herd und zündete die Flamme unter dem Kessel wieder an. Ich beobachtete ihn, wie er die Tassen und Untertassen hervorholte und dann nach den Teebeuteln griff. Erst als er alles zum Tisch herübertrug, schaute er mich an. Ich zitterte, und der Ausdruck von Schmerz und Verwirrung auf meinem Gesicht schien ihn zu beunruhigen.
»Arme Heaven«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Wie habe ich gehofft, diesen Moment zu vermeiden, und wie habe ich mich doch gleichzeitig danach gesehnt.«
»O Troy«, sagte ich. »Warum?«
»Du weißt warum, Heaven«, sagte er leise. »Tief im Herzen hast du es immer gewußt. Aber ich erzähle es dir trotzdem.«
Er seufzte und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Der Kragen seines weißen Hemdes stand offen, so daß ich die spärlichen, dunklen Haare auf seiner Brust sehen konnte. Lange starrte er mit gesenktem Kopf auf den Tisch. Dann seufzte er tief, fuhr sich mit den Fingern durch seine Locken und schaute mich mit schweren, betrübten Augen an. Obwohl er nicht kränklich wirkte, war er dünner und bleicher als in meiner Erinnerung. Die Haare waren etwas länger, und ihre Spitzen lockten sich immer noch. Er sah aus, als ob er seit Ewigkeiten eingeschlossen gewesen wäre, fern von Sonnenlicht und Leben. Mein Herz schrie auf, und ich hatte das starke Bedürfnis, ihn zu trösten und zu umarmen.
»Genau hier, hier an diesem Tisch schrieb ich jenen letzten Brief an dich«, begann er. »Ich erzählte dir, wie Jillian zu mir gekommen war und mir gesagt hatte, daß du Tonys Tochter seist und somit meine Nichte. Ich erzählte dir auch, wie ich dann einsehen mußte, daß unsere Liebe nicht fortbestehen konnte, und daß ich weggehen wollte, um zu lernen, ohne dich zu leben. Ich dachte mir, daß das möglich sei. Irgendwann würde ich dann nach Farthinggale zurückkehren und so weiterleben wie vor deiner Ankunft, genau so öde, wie für mich das Leben damals war.«
Beide sagten wir nichts, während er den Kessel vom Herd nahm und das heiße Wasser eingoß. Ich tauchte meinen Teebeutel schnell hinein, begierig, die flüssige Wärme in mir zu fühlen und die Eiseskälte, die sich in mir breitgemacht hatte, zu vertreiben. Nach einem Augenblick setzte sich Troy wieder und fuhr fort.
»Wie man dir wahrscheinlich berichtet hat, kehrte ich in deiner Abwesenheit, als du nach Maine gereist warst, direkt nach deinem Collegeabschluß, nach Farthinggale zurück. Ich glaubte, ich hätte den Punkt erreicht, an dem ich nach Farthy zurückkehren und mich wieder in die Arbeit vergraben könnte. Dann wollte ich geduldig auf meinen neunundzwanzigsten Geburtstag warten und auf meinen unvermeidlichen Tod, der vor meinem dreißigsten Geburtstag eintreten würde. Einen Tod«, sagte er und hob seine müden, gequälten Augen zu mir auf, »nach dem ich mich, das muß ich eingestehen, nun sehnte. Für mich war der Tod das Tor zu einer neuen Welt geworden, eine Fluchtmöglichkeit, mit der ich dem elenden Leben ohne dich entkommen konnte. Denn als ich dich verloren hatte, starb ein Großteil von mir. Ich habe nicht mehr in Todesangst, sondern in stiller Erwartung gelebt.«
Er machte eine Pause, um in kleinen Schlucken seinen Tee zu
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