Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Gegensatz zu Mrs. Broadfields strengem, autoritärem Ton lag in seiner Stimme so viel Sorge und Anteilnahme!
»Nein. Ich werde sie waschen, ihr ein Medikament geben und dafür sorgen, daß sie sich ausruht. Morgen früh dürfte es ihr wieder besser gehen, aber ihr Magen wird vorerst wohl ziemlich empfindlich sein. Ja, eines können Sie vielleicht doch tun: Sprechen Sie mit dem Koch und sagen Sie ihm, daß er das Essen in Zukunft genau nach meinen Anweisungen zubereiten soll!«
»Gut, ich werde mit ihm sprechen.«
Ich hörte, wie Tony ging, und gleich darauf kam Mrs. Broadfield zurück ins Badezimmer. Drohend ragte sie vor mir auf. Meine Tränen vermischten sich mit den Schweißtröpfchen, die über meine erhitzten Wangen liefen. Plötzlich wurde ihre versteinerte Miene weicher; ihre aufgeblasenen Backen fielen ein, und in ihre Augen traten Tränen des Mitleids.
»Sie armes Kind. Wenn Sie nur auf mich gehört hätten… Solche unnötigen Schmerzen, wo Ihr armer Körper doch sowieso schon so viel zu leiden hat!«
Sie kniete sich neben die Wanne und ergriff einen Badeschwamm, um mir die Tränen wegzuwischen.
»Ich verstehe das nicht… so etwas ist mir noch nie passiert, ich habe immer alles vertragen.«
Sie ließ den Schwamm über meinen Hals und meine Schultern wandern und wusch meine Haut in sanften kleinen Kreisen, als würde sie feinstes chinesisches Porzellan polieren.
»In Zukunft werden Sie tun, was ich Ihnen sage. Lassen Sie mich meine Arbeit tun, und Sie werden sich schnell wieder erholen, Annie. Einverstanden?«
Ich nickte mit geschlossenen Augen. Der Schmerz hatte nachgelassen, obwohl es in meinem Magen noch immer bedrohlich blubberte. Mrs. Broadfield ließ ihre Finger zwischen meinen Brüsten hindurchgleiten und preßte ihre Handfläche gegen meinen Unterleib. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich ihr Gesicht so nah bei meinem, daß ich die Poren in ihrer Haut, die Haare in ihren Nasenlöchern und die Risse in ihren Lippen erkennen konnte.
»Da drinnen ist noch einiges los«, flüsterte sie. Sie sah mir in die Augen, aber ihr Blick wirkte geistesabwesend, fast entrückt.
»Kann ich jetzt raus aus dem Wasser?«
»Was? Oh… ja, ja.« Sie stand schnell auf und griff nach den Handtüchern. Dann half sie mir aus der Wanne und rieb mich trocken. Nachdem ich ein frisches Nachthemd angezogen hatte, half sie mir zurück ins Bett und gab mir zwei Teelöffel einer grauen, kalkigen Flüssigkeit. Wenig später hörte das Blubbern in meinem Magen auf.
Ich tat was sie mir sagte… schluckte eine Schlaftablette, schloß die Augen und seufzte wohlig in Erwartung der Erleichterung, die mir der Schlaf bringen würde. Dann aber öffnete ich die Augen noch einmal, und ich sah Mrs. Broadfield neben mir stehen. Sie blickte auf mich herunter wie eine Katze, die eine Maus in die Enge getrieben hat und ihre Beute in Schach hält, befriedigt über die Qual, die sie ihrem schwachen, armseligen Gegner zufügt.
Morgen wird es mir besser gehen, dachte ich. Und morgen wird Luke meinen Brief erhalten und zu mir kommen… Dann versank ich im Schlaf.
Den ganzen nächsten Morgen und einen Teil des Nachmittags blieb ich im Bett. Mrs. Broadfield beschloß, daß wir meine Therapie einen Tag lang aussetzen sollten. Sie ließ Rye Whiskey heißen Haferschleim zum Frühstück zubereiten und erlaubte mir, für den Rest des Tages süßen Tee, Toast und Marmelade zu mir zu nehmen. Gegen Mittag fühlte ich mich stark genug, um aufzustehen und bat sie, mich in meinen Rollstuhl zu setzen. Kurz nach zwei erschien Rye, die Schürze noch um den Bauch gebunden. Mrs. Broadfield war weggegangen, um sich ein wenig die Füße zu vertreten.
Rye sah mich ängstlich und reumütig an. Ich wußte sofort, daß er sich verantwortlich fühlte für das, was mit mir geschehen war.
»Wie fühlen Sie sich, Miß Annie?«
»Viel besser, Rye. Sie dürfen sich keine Vorwürfe deswegen machen. Schließlich konnten Sie nicht wissen, was meinen Magen durcheinanderbringen würde und was nicht. Nichts, was Sie vorher gekocht haben, hatte jemals eine solche Wirkung«, sagte ich, um ihn zu beruhigen. Er nickte nachdenklich. Ich sah, daß ihm etwas im Kopf herumging.
»Genau das hab ich auch gedacht, Miß Annie. Ich hab nichts in dieses Essen getan, was ich nicht vorher auch schon hineingetan habe.«
»Es war mein Fehler«, sagte ich bestimmt. »Ich hätte Mrs. Broadfield nicht zurückschicken sollen mit dem Essen, das Ihr Gehilfe gekocht hatte.«
»Ich will
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