Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Ihnen mal was sagen: Sie kommt in die Küche gestürmt, wutentbrannt, und knallt das Tablett hin. Ich weiche gleich fünf Meter zurück. Dann sagt sie: Also, machen Sie Gemüse und Kartoffeln! Ich wollte das sowieso für Mr. Tatterton zubereiten, und so sag ich, ist in Ordnung, Ma’am. Sie grunzt, und ich hol die Teller heraus.«
»Was ist dann passiert?«
»Nichts. Ich geb ihr das Essen, damit sie es Ihnen bringt, weil ich bin ja schließlich auch nicht mehr der Jüngste; und sie nimmt das Tablett.
Nur, ich hab das Brot vergessen, und so geh ich ihr nach. Ich hab sie noch erwischt, weil sie im Eßzimmer stehengeblieben ist, um noch die Medizin reinzutun und – «
»Medizin? Was für eine Medizin?«
Rye zuckte mit den Schultern. »Medizin, hat sie zu mir gesagt. Sollte Ihnen helfen, das Essen zu verdauen.«
»Das habe ich noch nie bekommen.«
»Ich geb ihr das Brot, und sie geht hinauf zu Ihrem Zimmer. Dann stellt mich Mr. Tatterton zur Rede, weil Sie das Essen so krank gemacht hat. Er kommt extra rein deswegen, und ich sage: ›Ja, Sir, ich werde alles tun, was mir die Schwester sagt‹. Das war’s. Aber jetzt fühlen Sie sich besser?«
»Ja, Rye. Sind Sie sicher, daß sie Medizin in mein Essen getan hat?«
»In den Kartoffelbrei. Sie rührte das Zeug gerade drunter, als ich aus der Küche kam. Hoffentlich ruiniert das nicht den Geschmack, dachte ich, aber ich traute mich nicht, ihr das zu sagen. Muß eine gute Krankenschwester sein; wenn sie die Übelkeit in so kurzer Zeit verschwinden lassen kann – «
»Wenn Sie will…« Mir war jetzt einiges klar. Das war keine Medizin gewesen. Sie hatte sich dafür gerächt, daß ich mich ihr widersetzt hatte. Mein Gott, dachte ich, ich bin in der Hand einer sadistischen, rachsüchtigen Person. Der stechende Schmerz, mein peinliches Malheur, alles war ihr Werk! »Sie kann vielleicht auch die Übelkeit hervorrufen«, fügte ich hinzu und nickte bedeutungsvoll. Rye verstand.
»Miß Annie…« Er drehte sich um und sah zur Tür, um sicherzugehen, daß niemand kam. »Sicherlich geht es Ihnen schon besser. Vielleicht ist es das Beste, Sie fahren jetzt wieder heim.«
»Was?« Ich lächelte verwirrt. »Sie wollen, daß ich nach Hause zurückkehre?«
»Ich geh jetzt lieber wieder in meine Küche. Freut mich, daß es Ihnen besser geht, Miß Annie.« Er eilte hinaus, bevor ich ihm weitere Fragen stellen konnte, aber ich zweifelte nicht daran, daß er über vieles Bescheid wußte, was in Farthy vor sich ging…
Es war schon Mittag, als Tony kam. Ich bekam das Essen, das ich am Vortag zurückgeschickt hatte: gekochte Hühnerbrust, Erbsen und Karotten sowie wäßrigen Kartoffelbrei. Mrs. Broadfield hatte ihren Mund zu einem breiten Lächeln verzogen, als sie das Tablett hereinbrachte und auf den Tisch auf meinem Rollstuhl stellte. Sie postierte sich neben mich und sah mir beim Essen zu, angeblich nur, um sicherzugehen, daß ich wieder feste Nahrung vertrug.
»Haben Sie etwas hineingetan, damit ich es besser verdauen kann?« fragte ich. Ihr Lächeln verschwand.
»Was? Was sollte ich da hineintun?«
»Ich weiß nicht… so etwas wie das, was Sie gestern in den Kartoffelbrei gegeben haben, als Sie mir mein Abendessen zum zweiten Mal brachten«, sagte ich und heftete meine Augen fest auf ihr Gesicht.
»Was? Wer hat Ihnen denn das erzählt?« Sie sah nicht einmal ärgerlich aus, eher amüsiert, als hätte sie es mit einem hoffnungslosen Idioten zu tun. Das verkniffene, zynische Lächeln auf ihren Lippen brachte mich zur Weißglut.
»Rye hat es mir erzählt«, zischte ich. »Er kam herauf, um sich nach meinem Wohlergehen zu erkundigen, und dann sagte er mir, daß er gesehen hat, wie Sie etwas in meinen Kartoffelbrei gaben.«
»Mein liebes Kind, er versucht doch nur, von seiner eigenen Schuld an dem, was passiert ist, abzulenken. Schon an dem Tag, als wir hier angekommen sind, ging ich zu ihm in die Küche und erklärte ihm ausdrücklich, daß pikant zubereitete Gerichte nichts in Ihrer Diät verloren hätten. Sie erinnern sich sicher, daß ich ihm auch untersagte, Ihnen schwere, süße Sachen zu machen, und daß er Ihnen trotzdem diese Schokoladentorte bringen ließ. Er ist entweder stur oder dumm. Ich bin mir sicher, Mr. Tatterton hat sich sehr über ihn geärgert. Vielleicht hat er ihn sogar vor die Tür gesetzt.«
»Rye vor die Tür gesetzt?« Nun war ich an der Reihe zu lachen. »Rye gehört zur Familie, und er wird hier bleiben bis zu seinem letzten Tag. Und er ist
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