Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
flüsterte er, während er meine Stirn küßte und eine Haarsträhne aus meinem Gesicht strich. »Aber du bist nicht allein. Du wirst nie allein sein. Ich schwöre dir, ich werde immer für dich da sein, solange ich lebe.«
»Was ist mit mir los?« fragte ich mit tränenerstickter Stimme. »Ich habe das Gefühl, als könnte ich meine Beine nicht bewegen. Ich kann sie nicht einmal fühlen!«
»Dein Rückgrat und dein Kopf haben bei dem Unfall einen schlimmen Stoß abbekommen. Die Ärzte vermuten, daß die Verletzung der Wirbelsäule deine motorische Koordinationsfähigkeit beeinträchtigt hat. Aber mach dir keine Sorgen um das, was geschehen ist, Annie. Ich habe dir ja gesagt, daß ich dich wieder gesund machen werde.« Er küßte meine tränenüberströmten Wangen und lächelte, während er mich sanft mit seinen blauen Augen ansah.
»Drake«, sagte ich. »Wo ist Drake? Und wo ist Luke? Und Tante Fanny?« murmelte ich. Ich brauchte jetzt meine Familie um mich herum. Dieser Fremde konnte sie nicht ersetzen. O Gott, was würde mit mir geschehen? Ich fühlte mich verloren, beraubt und leer, ich schwebte dahin wie ein Ballon im Wind, dessen Halteband gerissen war. Was sollte ich jetzt nur tun?
»Drake wartet in der Halle. Luke und Fanny waren auch ein paar Male hier, und ich werde sie verständigen, daß du wieder bei Bewußtsein bist«, sagte Tony. »Aber zuerst werde ich dir meinen Arzt schicken.«
»Nein, ich will zuerst Drake sehen. Und bitte ruf Luke und Fanny an uns sag ihnen, daß sie sofort kommen sollen.«
»Ja, gut, ich werde es tun. Alles, was du willst.« Wieder küßte er mich sanft auf die Wange und stand auf. Dann sah er lächelnd auf mich herab; der Ausdruck, der jetzt auf seinem Gesicht lag, war liebevoll und dennoch eigenartig. Gleich darauf verließ er das Zimmer. Wenige Augenblicke später trat Drake ein; seine Augen waren rotunterlaufen und sein Gesicht bleich. Ohne ein Wort zu sagen, umarmte er mich und drückte mich an seine Brust. Wieder brach ich in Tränen aus.
Das Schluchzen verursachte mir Schmerzen im Rücken und auch in meinem Herzen. Drake küßte mich und wiegte mich wie ein Baby. Er preßte seine Wange an meine, und unsere Tränen vermischten sich. »Du weißt, daß sie für mich wie Eltern waren«, sagte er. »Meine wahre Mutter hätte mich nicht mehr lieben können, als Heaven es getan hat; und Logan hat mich immer wie seinen eigenen Sohn behandelt.«
»O Drake, es ist also wirklich war? Sie sind wirklich tot?«
»Ja, und es ist ein Wunder, daß du noch lebst. Ich habe den Wagen gesehen. Ein völliges Wrack!«
»Ich kann meine Beine nicht bewegen. Es ist ein Gefühl, als ob sie gar nicht mehr da wären.«
»Ich weiß. Tony hat mir von den Vermutungen der Ärzte erzählt. Er wird alles Menschenmögliche für dich tun, Annie; er ist ein wundervoller Mann. Als er von dem Unfall erfahren hat, hat er sofort Ärzte einfliegen lassen, die sich jetzt ständig um dich kümmern werden. Er hat einen seiner leitenden Angestellten nach Winnerrow geschickt, damit Logans Fabrik weiter arbeiten kann, denn er weiß, wie wichtig sie für Logan und Heaven war. Er schwört, daß die Produktion nie eingestellt wird, ja daß sie sogar vergrößert werden soll. Und er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, das Unternehmen eines Tages zu leiten, wenn ich mit dem College fertig bin.
Dann hat er mir noch gesagt, daß er Farthinggale wieder herrichten lassen will, damit du dich dort in Ruhe erholen kannst. Wir können von Glück sagen, daß wir ihn in dieser schweren Zeit bei uns haben.«
»Aber ich will nicht nach Farthinggale, ich will nach Hause, Drake! Farthinggale war in meiner Vorstellung nie ein Krankenhaus, es war etwas Besonderes, ein… ein Paradies. Bitte, Drake.«
»Annie, es ist schwer für dich, jetzt einen klaren Gedanken zu fassen. Das mußt du im Moment anderen, älteren und besonneneren Menschen überlassen, die nicht so stark von der Tragödie betroffen sind wie wir. Wir müssen jetzt alles tun, damit du wieder gesund wirst. Das möchtest du doch auch, nicht wahr? Du möchtest doch wieder gehen können. Schließlich hast du das Leben noch vor dir.«
»Aber wie soll ich denn weiterleben – ohne Mammi, ohne Daddy? Weit weg von allen anderen, von Luke, von dir, von allen Menschen, die ich liebe?«
»Du mußt, Annie! Glaub mir, genau das würden auch Heaven und Logan zu dir sagen. Deine Eltern gehörten zu jenen Menschen, die nie aufgaben, Annie. Du mußt ebenso denken wie
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