Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
hierher, um hier zu leben. Außerdem«, fügte er hastig hinzu, »fühle ich mich wohler, wenn ich alles wieder so herrichte, wie es früher war, als wir alle so viel glücklicher waren. Und ich kann es mir leisten, warum also nicht? Ich habe dir ja schon gesagt – ich will Farthinggale Manor wieder neu erstehen lassen, wie es in seinen glanzvollsten Tagen war.«
Ich schüttelte den Kopf. Sicher, eigentlich war nichts dabei, wenn ein sehr wohlhabender, älterer Mann sich so etwas gönnte. Aber warum mußte er sich eine so schmerzliche Erinnerung immer wieder ins Gedächtnis rufen? Mammi hatte sich die ganzen Jahre über geweigert, irgend etwas mit Tony zu tun zu haben, und er hatte sich all die Jahre an seine Erinnerungen von ihr und Daddy geklammert, hatte sich dagegen gewehrt, daß die Zeit diese Erinnerung auslöschte. Warum?
»Ich verstehe leider immer noch nicht, Tony. Warum war es so wichtig, es genauso zu lassen… wie es war?« beharrte ich. Sein Gesicht wurde hart.
»Ich habe es dir doch gesagt. Ich habe die Mittel dazu.«
»Aber du hast die Mittel, sehr viele Dinge zu tun, neue Dinge. Warum klammerst du dich so an die Vergangenheit?«
»Die Vergangenheit ist für mich wichtiger als die Zukunft«, erwiderte er in fast zurechtweisendem Ton. »Wenn du einmal in meinem Alter bist, dann wirst du begreifen, wie wertvoll schöne Erinnerungen sind.«
»Aber angesichts der Tatsache, daß zwischen Mutter und dir dieser Abgrund klaffte, hätte ich gedacht, daß dir das wehtun würde. Sie war völlig aus deinem Leben verschwunden; sie war – «
»Nein!« Er sah mich zornig an. »Nein«, wiederholte er etwas ruhiger und zwang sich zu einem Lächeln. »Verstehst du denn nicht? Dadurch, daß ich dies alles gemacht habe« – er breitete die Arme aus – »dadurch habe ich Heaven so bewahrt, wie sie für mich war… für immer. Ich habe dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen.« Er lachte, aber es war ein dünnes, hohles Lachen. »Das, mein Liebes, ist die eigentliche Macht großen Reichtums.«
Ich starrte ihn nur an. Er schien verwirrt und schüttelte schließlich den Kopf, so daß der wilde Ausdruck von seinem Gesicht verschwand.
»Aber jetzt mußt du dir das Schlafzimmer ansehen. Schau, was ich hier gemacht habe.« Tony schob mich weiter und öffnete die Türen zum Schlafzimmer. Ein wenig zögernd rollte ich zum Eingang und schaute hinein. Selbst das riesige Bett wirkte in diesem enormen Zimmer verloren. Der Fußboden war mit einem beigen Teppich bedeckt, der so dick und flauschig war, daß ich mit dem Rollstuhl kaum vorwärtskam. Es fühlte sich an, als würde ich über Watte rollen. Offensichtlich war auch dieser Teppich nagelneu.
Auch die Bettbezüge waren neu. Die Tagesdecke paßte genau zu dem aprikosenfarbenen Baldachin, die Kissen waren rostrot. Ich wandte mich nach rechts und entdeckte einen Toilettentisch, der Teil eines Marmortisches war, welcher die ganze Länge des Zimmers ausfüllte. Unter dem Tisch waren Schubfächer aus Holz angebracht, und dieses Holz hatte genau die Farbschattierung des Marmors. Darüber befand sich ein Wandspiegel, dessen Ränder mit Gold verziert waren.
Etwas auf diesem Toilettentisch erweckte meine Neugier; deshalb rollte ich näher heran. Da lag eine Haarbürste, in der noch ein paar Haarsträhnen hingen, silberblonde Strähnen… Ich nahm die Bürste in die Hand und betrachtete sie aufmerksam.
»Sie gehörte Heaven«, flüsterte Tony dicht neben mir. »Damals hatte sie ihr Haar wie Leigh. Sie ließ sich das Haar färben, als sei Leigh durch sie hierher zurückgekehrt, verstehst du das nicht?« fragte er, und seine Augen waren weit aufgerissen und funkelten wild. Mein Herz begann laut zu klopfen. »Das Haar ist… es ist Leighs Haar. Es ist nicht einfach Heavens Haar… Leigh kam zurück. Ich…«
Er bemerkte den erstaunten Ausdruck auf meinem Gesicht und zuckte mit den Schultern. Dann nahm er mir die Bürste aus der Hand und fuhr vorsichtig mit der Fingerspitze über die Haarsträhnen.
»Sie sah so entzückend aus mit diesen Haaren… diese Farbe paßte so gut zu ihr.«
»Ich mochte sie lieber mit dunklen Haaren«, entgegnete ich, aber er schien mich gar nicht zu hören. Er starrte noch eine Weile die Bürste an, dann legte er sie auf den Tisch zurück, als handle es sich um ein wertvolles Museumsstück. Als ich den Wandtisch und den Toilettentisch näher betrachtete, entdeckte ich noch andere persönliche Artikel – Haarnadeln, Spangen, Kämme, sogar zerknüllte
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