Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
unausweichlich, daß sie nie wieder nach Farthinggale zurückkehren würde, dachte ich. Sie würde heiraten und sich in Winnerrow ein bescheidenes Heim gründen und…« Er schluckte. »Und sie würde sich mit Luke Casteel, ihrem Vater, versöhnen und wieder in dieser Welt Wurzeln schlagen.
Kannst du begreifen, wie ich mich fühlte?« fragte er flehentlich. »Alles würde mit meinem Tod zu Ende sein, das Tatterton-Imperium, Farthy, alles. Nachts wanderte ich durch die dunklen Korridore und spürte die zornigen Augen meiner Vorfahren auf mir, die mich von den Portraits anstarrten. Ich begann den Klang meiner eigenen Schritte zu verachten, ich haßte das Gesicht, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte; ich wünschte, ich wäre nie als Tatterton zur Welt gekommen.
Und dann, eines Tages, dachte ich, warum sollte es denn nicht eine Möglichkeit geben, Heaven und ihre Welt nach Farthy zu holen?
Als ich von Heavens Verlobung mit Logan hörte, nahm ich Kontakt zu ihm auf, und wir erörterten seine Zukunft. Ich sah, daß er intelligent war und daß er eine rasche Auffassungsgabe besaß, daß er ehrgeizig und wißbegierig war. So bot ich ihm eine leitende Stellung in meinem Unternehmen an. Und ich bat darum, daß er und Heaven mir gestatteten, hier auf Farthy einen Hochzeitsempfang für sie zu geben.«
»Ich weiß. Ich habe die Fotos gesehen. Es muß wunderbar gewesen sein.«
»Ein solches Fest hat es hier seither nicht wieder gegeben. An jenem Tag, kurz vor dem Empfang, machte ich Logan und Heaven den Vorschlag, in mein Unternehmen einzusteigen und die Fabrik in Winnerrow aufzubauen. Deine Mutter war einverstanden, und dann zeigte ich ihnen diese Räume hier.« Er schwieg und starrte auf die prunkvolle Einrichtung, den stummen Zeugen seines Sieges. »Und Heaven war überwältigt. Ich hatte sie zurückgewonnen. Ich hatte alle meine Mittel eingesetzt – alles, was ich war, und alles, was ich hatte –, um das zu erreichen.«
»Aber Tony, warum haßte sie dich?«
Er senkte den Blick und spielte nervös mit seinen Fingern.
»Sie haßte mich, weil ich noch etwas anderes tat, um meinen Plan abzusichern.« Er blickte auf.
»Was war das, Tony?« fragte ich atemlos.
»Ich hatte Angst, daß sie wieder eine Beziehung zu Luke Casteel aufbauen könnte. Ich wußte, wie sehr sie ihn liebte und wie sehr sie sich wünschte, daß er sie liebte. Nach all den Jahren der Trennung wollte sie ihm nur zu gerne verzeihen, daß er sie und ihre Brüder und Schwestern verkauft hatte. Daher lud sie ihn und Stacie, seine neue Frau, zu ihrer Hochzeit in Winnerrow ein. Ich wußte, daß Luke kommen würde. Wenn sie sich erst einmal wieder mit Luke versöhnt hatte, dann würde sie mich nicht mehr brauchen, da war ich ganz sicher – weder mein Geld, noch meine Fabrik. Nichts hätte mehr Bedeutung für sie. Ich hatte das Gefühl, daß ich dies verhindern mußte.«
»Was hast du getan?« fragte ich angstvoll.
»Ich wußte durch meine Gespräche mit Heaven, daß Luke immer davon geträumt hatte, seinen eigenen Zirkus zu besitzen. Er arbeitete damals für einen Mann namens Windenbarron. So kaufte ich Windenbarrons Zirkus und bot ihn Luke für einen Dollar an.«
»Für einen Dollar!«
»Für einen Dollar und unter einer Bedingung… er durfte nicht zur Hochzeit kommen und keinerlei Kontakt zu Heaven aufnehmen. Für den Fall, daß er dem zuwiderhandelte, hätte er den Zirkus sofort wieder verloren.«
Ich starrte ihn an, unfähig, auch nur ein einziges Wort hervorzubringen. Eine endlose Flut von Gedanken schoß mir durch den Kopf. Für einen Dollar! Tony hatte gehandelt wie der Teufel, der die Seele des Mannes kaufte, ihn in Versuchung führte, indem er ihm alles, was er sich je gewünscht und erträumt hatte, anbot, aber ihn gleichzeitig zwang, jene Dinge aufzugeben, die ihm eigentlich am wichtigsten und teuersten hätten sein sollen. Mir wurde übel, mich ekelte, und ich fühlte mich so schwach, als hätte ich soeben erfahren, daß mein eigener Vater mich für einen Zirkus eingetauscht hatte – und das für nur einen Dollar!
Das Schweigen zwischen uns schien endlos. Wie sehr wünschte ich mir, ich könnte aufstehen und aus dem Zimmer laufen – fort von diesen entsetzlichen Enthüllungen! Was für ein Mann war Luke Casteel? Luke Jr. hatte diese Charakterzüge hoffentlich nicht geerbt, betete ich. Jener Luke, den ich kannte und liebte…
»Luke war einverstanden?« fragte ich schließlich, obwohl ich die Antwort bereits wußte.
»Ja, und er hat
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