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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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sehr! Ihr seid wie Schwestern, wie Drillinge, nicht Mütter und Töchter«, sagte er leise.
    Es gefiel mir nicht, daß er uns so als Einheit sah. Es war, als wäre ich kein Individuum mehr, besäße keine eigenen Gedanken und Gefühle. Natürlich wollte ich wie Mammi sein; ich wollte auch aussehen wie sie, aber ich wollte doch ich selbst sein, Annie, und nicht Leigh oder Heaven. Warum wollte Tony das nicht wahrhaben? Wußte er denn nicht, wie wichtig für jeden Menschen das Gefühl seiner Identität war? Ich würde demnächst einmal mit ihm darüber sprechen müssen.
    Jetzt wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Tour durch das Haus zu. Ich hatte nicht viel vom oberen Teil des Hauses gesehen, als sie mich in mein Zimmer gebracht hatten, aber jetzt bemerkte ich, wie abgenutzt und verschlissen der Teppich im Flur war. Viele der Kronleuchter, die von der Decke herabhingen, hatten kaputte Glühbirnen, und überall sah ich Spinnweben. Die Vorhänge an den wenigen Fenstern waren zugezogen, so daß es ganz dunkel im Korridor war, vor allem in dem Abschnitt, durch den Tony mich gerade schob.
    »Dieser ganze Flügel war jahrelang unbewohnt. Die Zimmer gehörten ursprünglich meinen Urgroßeltern, aber zu Ehren deiner Eltern habe ich sie völlig renovieren und neu einrichten lassen. Ich wußte, was deiner Mutter gefiel, und bei ihrer Ankunft war alles fertig. Du hättest die Überraschung auf ihrem Gesicht sehen sollen, als ich die Doppeltüren öffnete.«
    Er lachte, aber es war ein seltsames, dünnes Lachen, das Lachen eines Menschen, der in seiner eigenen Welt gefangen ist. Als ich mich zurücklehnte und den Kopf wandte, um ihn anzuschauen, sah ich, daß sein Blick wie entrückt wirkte, entrückt in das Paradies seiner Erinnerungen…
    Sah er denn gar nicht, wie abgenutzt und heruntergekommen der Korridor war? Bemerkte er den modrigen Geruch nicht?
    »Niemand geht mehr diese Flure entlang. Ich erlaube niemandem, diese Zimmer zu betreten«, meinte er, als hätte er meine Gedanken gelesen und wüßte, daß ich mich fragte, warum er nicht die Dienstmädchen hier herauf schickte, um hier sauberzumachen.
    Je weiter wir vordrangen, desto düsterer und verwahrloster erschien mir der Korridor. Riesige, mit Staub überzogene Spinnweben bedeckten Wände und Decken. Schließlich blieb Tony vor einer großen Doppeltür aus abgebeiztem Walnußholz stehen. Auf beiden Flügeln sah ich lange, schmale Wasserflecken, von denen einige frisch schienen.
    Tony holte einen Schlüsselring aus seiner Jackentasche. Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, wandte er sich mir zu. Auf seinem Gesicht lag ein seltsames Leuchten, und seine Augen sprühten vor Erregung. So muß er ausgesehen haben, als er damals meine Eltern mit diesen Zimmern überraschte, dachte ich. Waren seine Erinnerungen so lebendig, daß er sich ganz in jene Zeit zurückversetzen konnte?
    »Die Zimmer für Mr. und Mrs. Logan Stonewall«, verkündete er, als seien sie beide noch am Leben und würden hier neben mir stehen.
    Dann stieß er die Türen auf. Sie ächzten in den Angeln, als würden sie stöhnende Warnungen ausstoßen. Ich brachte es nicht fertig, darauf zu warten, daß Tony mich endlich weiterschob; deshalb ergriff ich die Räder und bewegte den Stuhl selbst vorwärts. Zu meiner Überraschung sah ich makellos gepflegte Räume vor mir: sauber und glänzend und ohne ein Staubflöckchen! Es war, als hätten wir tatsächlich eine unsichtbare Zeitschwelle überschritten und wären in die Vergangenheit zurückgekehrt…
    Tony lachte wieder, diesmal über meinen Gesichtsausdruck.
    »Wunderschön, nicht wahr?«
    Überall entdeckte ich die Lieblingsfarbe meiner Mutter: weinrot. Die französischen Möbel waren mit Stoff in dieser Farbe überzogen und harmonierten wunderbar mit den Farben des großen Perserteppichs. Die Wände waren mit einer blumengemusterten Stofftapete verziert, welche die Rot- und Weißtöne von Polsterung und Teppich wieder aufgriff. An den beiden großen Fenstern hingen alte Seidenvorhänge, hinter denen sich durchschimmernde Stores befanden. Aber alles sah nagelneu aus!
    »Alles ist ersetzt und genauso wieder hergerichtet worden, wie es damals war. Genauso sah der Salon aus, als deine Mutter und dein Vater das erste Mal diese Räume betraten.«
    »Alles neu?« fragte ich verwirrt. Er nickte. »Aber… warum?«
    »Warum? Warum…« Er blickte sich um, als sei die Antwort ganz offensichtlich. »Warum? Vielleicht kommst du eines Tages mit deinem Ehemann

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