Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
einfach.« Ich konnte Drake nicht sagen, was ich in Wirklichkeit für Luke fühlte, und ich wollte nicht, daß er mir in die Augen sah.
»Nun, wenn er nicht bald anruft oder hier auftaucht, dann werde ich ihn höchstpersönlich hierher schleppen.«
»O nein, Drake. Er muß aus freien Stücken kommen, und nicht, weil er muß. Ich möchte nicht, daß er es als eine… Verpflichtung ansieht, mich zu besuchen!« Das wäre das Allerschlimmste, dachte ich. Ich hätte dann das Gefühl, als wäre ich eine Last für ihn und nicht eine Frau, die er liebte und mit der er Zusammensein wollte.
»Natürlich. Es tut mir leid«, sagte Drake und wandte den Blick ab.
»Armer Drake. Ich wollte dich nicht zurechtweisen. Entschuldige bitte.« Drake war nun alles, was mir von meiner Familie geblieben war… Drake und Tony Tatterton.
»Oh, das macht doch nichts. Aber sage mir doch jetzt, Annie, warum du vorhin ein so sorgenvolles Gesicht gemacht hast, wenn es nicht wegen Luke war?«
»Hilf mir, mich aufzurichten, Drake«, bat ich ihn. Er brachte mir ein Sitzkissen und stopfte es so hinter meinen Rücken, daß ich bequem saß. Dann setzte er sich wieder neben mich auf die Bettkante. »Drake, ich habe Tony gezwungen, mir zu sagen, warum er und Mammi sich entzweiten.«
Drake nickte, ohne die Augen zu bewegen, aber auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln.
»Ich habe gewußt, daß du das tun würdest. Du bist nicht unterzukriegen, Annie. Dazu gleichst du viel zu sehr deiner Mutter. Und? Welches fürchterliche Skelett hast du aus den Schränken von Farthy herausgezerrt?«
Ich erzählte ihm alles und versuchte dabei, Tony gegenüber fair zu sein, indem ich seine Gründe erklärte, so wie er sie mir dargelegt hatte. Während ich sprach, wurde Drakes Gesicht aschfahl. Tiefe, dunkle Schatten bildeten sich um seine Augen. Als ich fertig war, wandte er sich ab und sagte lange Zeit kein Wort.
»Natürlich kann ich mich nicht mehr so deutlich an meinen Vater erinnern«, begann er. »Ich war erst fünf Jahre alt, als er ums Leben kam, aber ich weiß noch, daß ich eine wunderbare Feuerwehr hatte, ein Tatterton-Spielzeug, das Heaven mir geschenkt hatte. Und immer, wenn mein Vater beobachtete, daß ich damit spielte, sah er ganz traurig aus.
›Du weißt, wer dir das geschenkt hat?‹ fragte er dann.
›Heaven‹, antwortete ich jedesmal. Ich hatte selbstverständlich vergessen, wer sie war und wie sie aussah, aber der Name war hängengeblieben, weil mein Vater dann immer sagte: ›Ja, Heaven, deine Schwester.‹ Und dann lächelte er. Zweifellos hat Tony etwas sehr Schlimmes getan, aber du hast recht, wenn du sagst, daß mein Vater mitschuldig daran ist, denn er opferte seine Tochter für einen Zirkus.
Ich glaube, daß die Zeit gekommen ist, Tony zu verzeihen, Annie. Ich habe Heaven fast so sehr geliebt wie du, und ich glaube nicht, daß sie uns deswegen hassen würde.«
Heiße Tränen brannten auf meinen Wangen. Ich konnte nur nicken. Er wischte meine Tränen weg und nahm mich in die Arme.
»Also dann«, sagte er und erhob sich hastig. »Ich sollte mich jetzt wirklich auf den Weg machen. Ich werde morgen gegen Abend zurückkommen. Ich bringe dir alles direkt hierher.«
»Bitte, sag Mrs. Avery, Roland und Gerald viele Grüße. Und noch etwas Drake… versprich mir, daß du keinen Streit mit Tante Fanny anfängst. Versprich es mir, Drake.«
»Gut, ich verspreche es dir. Ich tue einfach so, als sei sie nicht da, wenn ich sie treffe.«
»Und sag ihr, ich würde mich freuen, wenn sie mich hier in Farthy besuchen käme.«
»Klar.« Er grinste.
»Und sag nichts Ungezogenes zu Luke.«
»Zu Befehl, Chef.« Er salutierte.
»Bitte, sei vorsichtig, Drake.«
»Natürlich, Annie.«
»O Drake.«
Er nahm mich in die Arme, und dann ging er. Obwohl er die Tür offen ließ, hatte ich das Gefühl, er hätte sie geschlossen und ich sei nun eingesperrt. Die Stille, die auf seine Schritte folgte, war erdrückend. Fröstelnd zog ich meine Decke bis zum Hals und starrte vor mich hin.
Luke mit einem anderen Mädchen! Ich versuchte zwar, das Bild, das sich mir aufdrängte zu vertreiben, aber es gelang mir nicht. Ich sah ihn mit einer hübschen Studentin, wie sie in der Cafeteria saßen und sich unterhielten. Ich sah ihn, wie er Hand in Hand mit ihr über das Universitätsgelände ging, ich sah, wie er sie küßte und sie in seinen Armen hielt, so wie ich es mir immer mit ihm erträumt hatte…
Alles entglitt mir. Die ganze Welt, die ich gekannt und
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