Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
sich an die Vereinbarung gehalten – bis zu dem Tag, als er und seine Frau ums Leben kamen. Erst dann… fand Heaven heraus, was ich getan hatte. Ich versuchte, es ihr zu erklären, so wie ich es jetzt dir erkläre. Ich flehte sie an, mir zu verzeihen, aber sie war so außer sich, daß sie Farthinggale sofort verließ und nie wieder zurückkehrte.«
Er senkte den Kopf.
»Sie ließ mich als gebrochenen Mann zurück, von Schuldgefühlen zermartert. Ich wanderte mutterseelenallein durch dieses riesige Haus und grübelte über mein selbstsüchtiges Handeln nach. Nachdem meiner Meinung nach genug Zeit vergangen war, um die Wunden heilen zu lassen, versuchte ich, Heaven dazu zu bringen, mit mir zu sprechen, meine Anrufe und meine Briefe zu beantworten. Doch sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben, und ich konnte machen, was ich wollte – nichts konnte sie umstimmen.
Ich zog mich in eine Schattenwelt zurück, und dort habe ich seither gelebt.« Er blickte einen Moment lang zu Boden. »Was mich am Leben erhalten hat, waren die Nachrichten, die ich über dich und über Heavens und Logans Leben in Winnerrow in Erfahrung bringen konnte. Ich hatte meine Leute, die mir berichteten, daß du zu einer schönen jungen Dame herangewachsen seist, und außerdem erfuhr ich von dem Erfolg eurer Spielzeugfabrik und von Heavens und Logans wunderbarem Leben in Winnerrow, wo sie geachtet und beneidet wurden. Ich… ich konnte nicht anders, ich wollte dich unbedingt sehen, ich wollte wissen, wie es euch allen erging.
Oft spielte ich mit dem Gedanken, einfach dort aufzutauchen und das Risiko in Kauf zu nehmen, daß deine Mutter mich hinauswarf. Ich plante sogar, mich zu verkleiden und nach Winnerrow zu fahren, um dich aus nächster Nähe sehen zu können«, meinte er; doch er sagte es in einem Ton, daß ich mich fragte, ob er es nicht tatsächlich getan hatte.
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, wieviel es mir während dieser trüben und einsamen Jahre bedeutete, mit dir und Heaven zu leben, und sei es auch nur aus zweiter Hand, über Erzählungen«, sagte er. Ich sah die Tränen in seinen Augen und merkte, daß er es zutiefst ehrlich meinte. Er hatte all die Jahre darauf gewartet, daß entweder Mammi oder ich hierher nach Farthinggale kommen würden. Wie sehr hatte er sich danach gesehnt! Ich konnte nicht anders, ich empfand Mitleid mit ihm und mit seinem verzweifelten Verlangen.
»O, Annie, glaube bitte nicht, daß ich nicht alles geben würde, um die Zeit zurückzudrehen und das, was ich getan habe, ungeschehen zu machen, aber es geht nicht. Bitte… bitte, hasse mich nicht deswegen. Gib mir die Möglichkeit, meine schlechten Taten wieder gutzumachen, indem ich dir helfe, indem ich dich wieder ganz gesund und sehr glücklich mache.«
Er ergriff meine Hand, und seine Augen bettelten, flehten inständig, ich möge ihm verzeihen. Mein Herz pochte. Ich hatte das Gefühl, ich würde gleich in Ohnmacht fallen, wenn ich mich nicht hinlegte.
»Ich möchte in mein Zimmer zurück, Tony. Ich muß mich ausruhen und nachdenken.«
»Ich kann es dir nicht vorwerfen, daß auch du mich haßt.«
»Ich hasse dich nicht, Tony. Ich glaube dir, daß dir das, was du getan hast, sehr leid tut, aber ich verstehe jetzt auch, warum meine Mutter so traurig war, wenn man auf ihren Vater zu sprechen kam, und warum sie so aufgebracht war, wenn wir über Farthinggale redeten und dein Name fiel. Ihr Vater starb, ohne daß sie die Möglichkeit hatten, sich nach so vielen Jahren der Entfremdung miteinander zu versöhnen. Im Gegensatz zu dir, Tony, hatte mein Großvater nie die Chance, um Verzeihung zu bitten.«
»Ich weiß, und dieses Wissen wird mich bis in die Hölle begleiten.« Er wischte sich eine Träne von der Wange.
Verzeih mir, Mammi, dachte ich – aber in diesem Augenblick mußte ich Mitleid mit ihm haben.
»Ich sollte mich jetzt wirklich ausruhen, Tony. Drake kommt heute nachmittag, um die Liste mit den Sachen, die ich gerne aus Winnerrow hätte, abzuholen, nicht wahr?«
»Ja.«
Er stand auf und ging um meinen Stuhl herum. Ich hörte, wie er tief Luft holte und laut seufzte. Dann begann er mich aus dem Zimmer zu schieben, heraus aus der Vergangenheit, zurück in die Gegenwart.
Als ich wieder in meinem Zimmer war, schickte Tony sofort Mrs. Broadfield herauf, und sie half mir ins Bett.
»Ich bin gleich wieder hier«, sagte sie, nachdem ich versorgt war, »und dann beginnen wir mit der Behandlung.«
»Ich möchte heute keine Behandlung
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