Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
geliebt hatte, schien in den Flammen des Schmerzes aufzugehen. Alles war verkohlt, selbst meine geliebten Magnolienbäume. Ich war wie ein kleiner Vogel, der, erschöpft von einem langen Flug, verzweifelt nach einem sicheren Ort suchte, wo er sich niederlassen konnte. Aber alle Zweige waren verbrannt…
Ich schloß die Augen und träumte von Daddy. Er breitete die Arme aus, um mich zu begrüßen. Aber als er mich umarmte, waren seine Arme aus Luft.
»Nein! Nein!« rief ich. Ich erwachte von meinem eigenen Schreien. Tony stand neben mir.
»Ich hatte eine entsetzlichen Alptraum«, sagte ich und erwartete, er würde mich bitten, den Traum zu beschreiben.
»Das ist verständlich, Annie.« Er setzte sich auf mein Bett und beugte sich zu mir herab, um mir übers Haar zu streichen. »Nach allem, was du durchgemacht hast! Aber wenn du erwachst, dann bist du ja in Sicherheit – hier bei mir.
Aber wie dem auch sei«, meinte er und strich mir immer noch liebevoll übers Haar, »bald wird die Welt für dich wieder heller und glücklicher aussehen. Ich habe große Pläne für dich. Ich möchte so vieles tun, und es gibt so viele Veränderungen, die ich vornehmen möchte. Das ganze Haus wird wieder lebendig werden, und du wirst der Mittelpunkt sein. Wie eine Prinzessin«, fügte er hinzu, und ich mußte sogleich an Luke und unsere Phantasiespiele denken. Die Erinnerung daran rief ein Lächeln auf meine Lippen, ein Lächeln, von dem Tony glaubte, er habe es herbeigezaubert.
»Siehst du, es geht dir schon besser. Nun«, meinte er und griff nach einem meiner Beruhigungsmittel, die auf dem Nachttisch lagen, »Mrs. Broadfield meint, du solltest eine hiervon nehmen.« Er reichte mir die Tablette und goß mir ein wenig Wasser ein. Ich schluckte sie gehorsam. Nachdem er das Glas wieder zurück auf den Tisch gestellt hatte, beugte er sich über mich, um mich auf die Stirn zu küssen. »Mach einfach wieder die Augen zu und versuche ganz ruhig zu liegen, bis der Schlaf dich übermannt.« Er erhob sich. »Schlaf ist die beste Medizin, weißt du«, erklärte er. Offensichtlich sprach er aus persönlicher Erfahrung. »Bis später. Ist jetzt alles in Ordnung?«
»Ja, Tony.«
»Gut.«
Ich schaute ihm nach, als er ging. Vielleicht war es nur wenig später, vielleicht auch schon in der Nacht – ich konnte es nicht sagen, weil das Beruhigungsmittel mich völlig verwirrte und mein Empfinden für Zeit und Raum durcheinanderbrachte – aber als ich die Augen öffnete, sah ich die dunkle, schmale, schattenhafte Gestalt eines Mannes in meiner Tür stehen.
Er näherte sich meinem Bett, aber aus irgendeinem Grund hatte ich keine Angst. Ich spürte, wie er mir zärtlich übers Haar strich und sich dann über mich beugte, um mich auf die Stirn zu küssen. Das gab mir ein Gefühl der Sicherheit, und ich schloß die Augen. Ich erwachte erst wieder, als Dr. Malisoff meinen Namen rief.
15. K APITEL
G ANZ WIE M AMMI
»Guten Morgen, Annie. Wie fühlen Sie sich?« Dr. Malisoff saß auf dem Bettrand, während Tony ein paar Schritte hinter ihm stand. Er erinnerte mich an einen werdenden Vater, so wie er von einem Fuß auf den anderen trat, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Mrs. Broadfield kam aus dem Wohnzimmer hereingeeilt, um dem Arzt das Blutdruckmeßgerät zu bringen. Mühsam richtete ich mich auf. Ich hatte tief geschlafen, aber ich fühlte mich alles andere als erfrischt, und mein Rücken war ganz steif.
»Ich bin ein bißchen müde«, gab ich zu. In Wirklichkeit war ich völlig erschöpft und ausgelaugt, aber ich wollte unbedingt, daß mir der Arzt erlaubte, ein Telefon im Zimmer zu haben und Besucher zu empfangen.
»Soso.« Er schlang die Manschette des Blutdruckmeßgeräts um meinen Oberarm. »Hat sie denn ordentlich gegessen, Mrs. Broadfield?« fragte er, ohne seinen prüfenden Blick von mir abzuwenden. Seine Augen sahen aus wie kleine Mikroskope, die auf mein Gesicht gerichtet waren.
»Sie ißt nicht so, wie ich es gerne hätte, Herr Doktor«, erwiderte Mrs. Broadfield. Sie klang wie ein Schulmädchen, das ein anderes beim Lehrer verpetzte.
Der Arzt setzte eine tadelnde Miene auf und schüttelte den Kopf.
»Ich hab noch immer keinen richtigen Appetit«, brachte ich zu meiner Verteidigung vor.
»Ich weiß, aber Sie müssen sich zusammennehmen, damit Sie wieder zu Kräften kommen… Ruhen Sie sich denn auch genug aus, Annie? Sie sehen nicht sehr erholt aus.« Ich warf Tony einen kurzen Blick zu. Er sah
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