Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
so erschöpft.«
»Ma hat recht, Luke. Du solltest dir einen Tag freinehmen. Selbst, wenn du einmal Freizeit von deiner Arbeit hast, arbeitest du ständig hier. Wir wollen uns am kommenden Sonntag alle fein anziehen und in die Kirche gehen. Bitte, Luke.«
»Also gut, meinetwegen«, sagte er nachgiebig.
Ma war glücklich darüber, daß wir alle in die Kirche gehen wollten, aber als wir am folgenden Sonntag dort erschienen, erkannte ich erst, was Luke gemeint hatte, als er mir erzählt hatte, die Städter sehen auf die Menschen aus den Bergen herab. Sobald wir die Kirche betreten hatten, hätte man die Luft mit einem Messer schneiden können. Sämtliche eleganten Städter drehten sich zu uns um und starrten uns an, und ihre drohenden, finsteren Blicke sagten uns deutlich, daß wir auf den hintersten Plätzen zu bleiben hatten. Ma und Pa Casteel nahmen schleunigst neben anderen Farmern Platz, die ich vom Sehen kannte, aber ich rührte mich nicht von der Stelle.
Luke sah mich neugierig an. Er sah in seinem Anzug mit Krawatte und dem glatt zurückgekämmten dunklen Haar so gut aus, und trotz meiner Schwangerschaft fand ich mich noch genauso hübsch wie diese Frauen und Mädchen aus Winnerrow. Mein Kleid war so teuer, wenn nicht teurer gewesen, als die meisten anderen, und niemand hatte so zartes, weiches Haar wie ich. Durch das Waschen mit Regenwasser war mein Haar noch schöner geworden und glänzte noch mehr als bei meiner Ankunft in den Willies.
Ich sah zwei leere Plätze ganz vorn und zog Luke mit mir. Er blieb einen Moment lang stehen und sah mir dann ins Gesicht.
»Ich dachte, du wolltest, daß ich dem Bürgermeister von Winnerrow bei der erstbesten Gelegenheit meine Meinung sage«, flüsterte ich. Er strahlte mich an.
»Verdammt, das habe ich wirklich gesagt.« Er folgte mir zu den freien Plätzen. Die Leute auf der Kirchenbank wichen zurück, als sei ein kräftiger Windstoß über sie hinweggefegt. Alle rissen die Augen weit auf, und Neugier mischte sich mit Entrüstung, aber ich hielt ihren Blicken stand, bis sie die Augen niederschlugen. Der Geistliche trat auf die Kanzel und hielt eine schöne Predigt über brüderliche Liebe.
Hinterher kam Ma zu mir und sagte: »Ich hatte recht, als ich dich das erste Mal gesehen habe, Angel. Du hast den Mut einer Casteel. Ich bin stolz auf dich.«
»Danke, Ma.«
Am Sonntag nach dem Kirchgang versammelten sich die Leute aus den Bergen zu einem Fest. Sie spielten auf ihren Instrumenten und tanzten und aßen gemeinsam. Ich half beim Bedienen, und dann setzte ich mich hin, als Luke und Pa sangen und Banjo spielten. Die Männer tanzten, und die Frauen klatschten.
Vor tausend Jahren hatte ich eine Geburtstagsfeier auf Farthy veranstaltet. Meine Mutter hatte eine teure Band und Leckereien von einem Partyservice bestellt. Meine Schulfreundinnen waren fein herausgeputzt gewesen. Damals dachte ich, das sei das tollste Fest, das ich je erlebt hatte.
Aber hier unter diesen einfachen Bergbauern, die von ihren Träumen sangen oder komische Lieder über die Bräuche dieser Gegend zum besten gaben, war ich noch glücklicher. Hier konnte niemand vornehm tun. Ich fühlte mich wohl und entspannt.
Natürlich sah ich, wie viele der Mädchen aus den Bergen Luke sehnsüchtig anstarrten, denn wenn er sich feinmachte, sah er wie ein Filmstar aus. Ein Mädchen, Sarah Williams, warf mir aus ihren grünen Augen einen gehässigen Blick zu, als sie ihn zum Tanzen aufforderte. Sie zerrte ihn regelrecht auf die Tanzfläche und sah mich ständig an, während sie mit ihm tanzte. Sarah hatte feuerrotes Haar und war fast so groß wie Luke. Sie umklammerte ihn und preßte sich dicht an ihn. Ich war eifersüchtig, denn sie war ein hübsches, schlankes Mädchen und schob nicht so wie ich einen Bauch vor sich her. Sobald der Tanz geendet hatte, kehrte Luke zu mir zurück und riß sich buchstäblich aus Sarahs Umklammerung los.
»Sarah ist ein hübsches Mädchen, Luke«, sagte ich und wandte den Blick von ihm ab.
»Das mag sein, Angel, aber ich habe nur Augen für dich.« Er drehte mein Gesicht zu sich um, damit ich ihm in die dunklen Augen sehen konnte, in denen Liebe, Stolz und Hoffnung standen. »Ich hätte mich gar nicht erst von ihr auf die Tanzfläche zerren lassen sollen«, warf er sich selbst vor. »Das macht der Whisky mit mir. Du hast mich schon oft genug davor gewarnt!«
»Ich will dir nicht wie ein keifendes Weib vorkommen, Luke.«
»Tust du nicht. Überhaupt nicht.« Er
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