Castello Christo
und wenn das nicht einwandfrei funktioniert, muss es eben ausgetauscht werden, basta.«
»Und Sie, Chef? Denken Sie das auch?«
»Ja, das denke ich auch.«
Varotto erhob sich schwerfällig, wie ein alter Mann. Langsam zog er das braune Ledermäppchen aus der Gesäßtasche, in dem sein Dienstausweis steckte, und legte es vor Barberi auf den Schreibtisch.
»Die Waffe liegt in der Schreibtischschublade in meinem Büro«, sagte er und wandte sich zum Gehen.
»Warte, Daniele. Wo willst du hin?«
»Nach Hause«, antwortete dieser mit müder Stimme, hielt aber nicht inne.
»Daniele!« Jetzt schrie Barberi. »Bleib sofort stehen.«
Doch Varotto knallte schon die Tür hinter sich zu. Wütend schlug Commissario Capo Barberi mit der Faust auf seinen Schreibtisch.
Rom. Redaktionsgebäude des ›Il Cortanero‹
32
Alicia las die kurze Meldung zum zweiten Mal und versuchte dabei zu verstehen, warum sie Matthias so aus der Fassung gebracht hatte. Es ging um eine große Sternenkonjunktion von Jupiter und Saturn, genau genommen um die zweite von insgesamt drei 1981 stattfindenden Konjunktionen. Alicia sah von dem Artikel auf.
»Eine seltene Stellung der Sterne. Was ist daran so außergewöhnlich? Und vor allem: Was hat das mit den Kreuzwegmorden zu tun?«
Matthias schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Die Journalistin hatte zum ersten Mal, seit sie den Deutschen kannte, das Gefühl, dass er aufgeregt war.
»Bei dieser großen Konjunktion«, erklärte er schließlich und setzte sich aufrecht hin, »kommen sich Jupiter und Saturn so nahe, dass sie von der Erde aus fast wie ein einziger großer Stern am Himmel zu sehen sind. Oberflächlich betrachtet ist das ein Ereignis, das höchstens für Astronomen interessant sein dürfte. Aber zu dieser großen Konjunktion gibt es noch einen weiteren, religiösen Aspekt. Es geht dabei um die Geburt Jesu. Wissenschaft und Kirche liegen seit Jahrhunderten im Streit darüber, wann Jesus genau geboren wurde und was das Phänomen des Sterns von Bethlehem hervorgerufen haben könnte.
Im Laufe der Zeit haben sich zwei, drei Theorien herausgebildet. Eine dieser Theorien geht davon aus, dass Jesus im Jahr 7 vor unserer Zeitrechnung geboren wurde. Dafür spricht, dass es in diesem Jahr eine große Sternenkonjunktion zwischen Saturn und Jupiter gab, die man damals durchaus für den ›Stern von Bethlehem‹ hätte halten können. Diese Theorie wurde 1603 zum ersten Malvon Johannes Keppler aufgestellt, der allerdings noch von falschen Voraussetzungen ausging. In der modernen Konjunktionstheorie wies d’Occhieppo schon ab 1965 auf gleich drei sehr seltene, ungewöhnlich enge Jupiter-Saturn-Konjunktionen im Zeichen der Fische im Jahr 7 v. Chr. hin.
Jupiter repräsentierte damals den Stern des babylonischen Gottes Marduk, war also ein Königsstern. Saturn galt als Stern des Volkes der Juden, als Beschützer Israels. Daraus könnte sich die Schlussfolgerung ergeben haben: Im Westen – wegen des Sternbilds der Fische – ist ein mächtiger König geboren worden.«
Alicia starrte Matthias staunend an. »Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ich muss allerdings gestehen, dass ich auch nicht viel von dem verstanden habe, was Sie gerade erklärt haben.«
Matthias nickte und sprach weiter: »Die drei Konjunktionen ereigneten sich im Abstand von ein paar Monaten, so dass die babylonischen Sterndeuter, das heißt die Weisen vom Morgenland aus der Bibel, in dieser Zeit nach Israel hätten reisen können. Am 12. November, kurz vor Sonnenuntergang, hätten sie die Planeten Jupiter und Saturn in der Abenddämmerung direkt vor Augen gehabt, als sie von Jerusalem gen Süden auf das etwa zehn Kilometer entfernte Bethlehem zugeritten sind. Der Stern von Bethlehem! Und jetzt wissen wir, dass es nicht nur in dem
Jahr
, in dem diese Kinder geboren wurden, das gleiche Phänomen gegeben hat, sondern dass die mittlere dieser Konjunktionen sogar genau an dem
Tag
stattfand, an dem die entführten Kinder geboren wurden.«
Matthias griff sich einen der frisch gespitzten Bleistifte, die auf dem Tisch lagen, schlug seinen Notizblock auf und skizzierte mit einigen wenigen Strichen eine primitiveZeichnung, die er Alicia zeigte. Die betrachtete sie verwirrt und riss dann die Augen auf.
»Das ist die Tätowierung, die die Opfer im Nacken hatten!«
Matthias nickte und fuhr mit dem Finger die Striche nach. »Richtig. Und diese gebogene Linie und darüber der Kreis mit den Strahlen, was könnte das
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