Castello Christo
war.
»Ja. Wieso? Was haben Sie denn erwartet?«
Er lächelte verlegen. »Na ja, viele Regale mit Ordnern ... Aber Sie haben inzwischen wohl alles auf einem zentralen Server gespeichert. Nur: warum dann dieser Raum?«
Alicia lachte, schaltete zwei der Computer ein und zog einen Stuhl für ihn zurück. »Setzen Sie sich doch bitte.« Dann nahm sie selbst Platz und zog eine der Tastaturen zu sich heran. »Natürlich könnte ich auch von meinem Schreibtisch aus auf die Daten zugreifen, aber vorne im Großraumbüro herrscht immer ein unglaublicher Lärm. Hier drin findet man die Ruhe, die man für seine Recherchen braucht.«
Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis sie die gespeicherten Kopien der Zeitung vom 4. März 1981 auf dem Monitor vor sich hatten und Matthias wusste, wie er vor- und zurückblättern konnte. Sie begannen, jeder für sich zu lesen.
Über eine Stunde starrten sie konzentriert auf die Zeilen vor sich. Einige Male begann Alicia kleinere Berichte laut vorzulesen, verstummte aber jedes Mal wieder, wenn Matthias den Kopf schüttelte. Schließlich ließ sie sich schnaufend gegen die Rückenlehne ihres Stuhles fallen und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
»Offenbar war das doch keine so gute Idee mit den Zeitungsmeldungen. Ich drucke trotzdem alles mal aus, damit wir die Seiten später noch einmal in Ruhe durchgehen können. Vielleicht entdeckt ja Daniele etwas.«
»Es war zumindest einen Versuch wert, Alicia«, sagte Matthias tröstend, woraufhin sie ein humorloses Lachen ausstieß.
»Ja, und es wäre ein voller Erfolg geworden, wenn wir nach einem bestechlichen Provinzbürgermeister, einer seltenen Sternenkonstellation oder einem Gipfelstürmer gesucht hätten, der von einem Berg in den Alpen abgestürzt ist. Aber leider . . .« Sie hielt inne und sah Matthias verwirrt an, der plötzlich mit weit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm starrte, als wäre ihm dort ein Geist erschienen.
»Eine seltene Sternenkonstellation, ein Berg . . .« Seine Finger hasteten über die Tastatur und ließen die Seiten der Zeitung über den Bildschirm huschen. Zweimal musste er zurückblättern, bis er fand, was er gesucht hatte, unten rechts in der Ecke.
Die Meldung war nur wenige Zeilen lang. Matthias stockte der Atem.
Rom. Questura, Via San Vitale 15
31
»Wo steckt Signore Matthias?«
Schnaubend ließ sich Varotto auf den Stuhl vor Tissones Schreibtisch fallen und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Minuten vorher hatten die uniformierten Kollegen ihn vor dem Polizeipräsidium abgesetzt und waren weitergefahren zum Gerichtsmedizinischen Institut, wo sie die Haarproben des möglichen Vaters aus Avezzano zur DN A-Analyse abgeben sollten.
»Signore Matthias versucht etwas über das Geburtsdatum des Toten herauszufinden. So wie du es wolltest«, antwortete Tissone, sah ihn aber nicht an, sondern begann seine Stifte neu zu sortieren. »Gut, dass du endlich da bist, Daniele.«
Seine Stimme hatte einen seltsamen Tonfall, was Varotto gar nicht gefiel. Er kannte seinen Kollegen gut genug, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist los, Francesco?« Es sollte barsch klingen, aber er konnte die Unsicherheit selbst hören, die in seiner Frage mitschwang.
»Du sollst zum Chef. Jetzt gleich.«
»Warum?«
Als Tissone nicht antwortete, sondern mit gesenktem Kopf Kugelschreiber und Bleistifte ein weiteres Mal neu anordnete, sprang Varotto auf und beugte sich über den Tisch zu seinem Kollegen.
»Francesco, ich sehe dir doch an, dass du weißt, warum. Also, was ist los?«
»Hast du heute schon den ›Cortanero‹ gelesen?«
Tissone hatte den Kopf gehoben und sah ihn auf einmal mitleidvoll an.
»Nein, denn wie du weißt, bin ich heute früh gleich nach Avezzano gefahren. Was ist damit?«
Statt einer Antwort zog Tissone eine Zeitung aus seiner Schreibtischschublade und hielt sie Varotto hin. Der ergriff sie und überflog die erste Seite.
»PSYCHISCH KRANKER POLIZIST SOLL DIE KREUZWEGMORDE AUFKLÄREN«, lautete die fett gedruckte Schlagzeile. Ungewollt stieß Daniele Varotto ein leises »O mein Gott« aus, bevor er den Leitartikel zu lesen begann:
ROM. Seit nunmehr sechs Tagen erschüttert eine bizarre Mordserie unsere Hauptstadt. Acht Menschen sind inzwischen umgekommen. Was tut unsere Polizei? Sie setzt eine Sonderkommission ein. Das ist bei einer Mordserie nicht weiter ungewöhnlich, wird jeder sich sagen. Dem ›Cortanero‹ ist gestern von einem über jeden Zweifel
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