Castello Christo
Mitarbeiter nicht ohne triftigen Grund bei ihm zu Hause anriefen. Schnell erzählte ihm Tissone von seinem Anruf bei Daniele Varotto und was er am Tatort vorgefunden hatte.
»Verdammt!«, rief Barberi, als Tissone seinen Bericht beendet hatte. »Dieser Dickkopf. Und Sie wissen nicht,
wo
Daniele hingefahren ist?«
»Nein, leider nicht. Ich habe ihn gefragt, aber er ist nicht darauf eingegangen.«
»Hm ... Und mit wem ist er unterwegs?«
»Mit dem Deutschen.«
»Und was ist mit dieser Journalistin, Alicia Egostina? Sie hatte sich doch auch an Daniele gehängt. Irgendwann hat er mir davon erzählt.«
»Von ihr hat er nicht gesprochen.«
»Versuch sie zu erreichen. Ich schicke Commissario Cileras zu dir. Er soll die Spurensicherung beaufsichtigen. Sobald er da ist, kommst du mich abholen.«
Andrea Cileras war ein noch junger, aber sehr eifriger Kollege. Er würde sich über die Bewährungsprobe freuen.
»Gut«, antwortete Tissone und fügte leise hinzu: »Ich mache mir große Sorgen.«
Eine Weile herrschte Stille, dann sagte sein Chef mit heiserer Stimme: »Ich auch«, und legte auf.
Alicia Egostina schien einen sehr leichten Schlaf zu haben, denn nach dem zweiten Läuten hob sie bereits ab. Nachdem Tissone sich mit Dienstgrad und Namen gemeldet hatte, konnte er förmlich spüren, wie sie sich mit einem Ruck im Bett aufrichtete.
»Ist etwas passiert? Wieder ein Mord?«
»Ja, Signorina, aber das ist nicht der Grund meines Anrufs. Es geht um Daniele Varotto.«
»Daniele? Was ist mit ihm?«
Man hörte ihren Worten deutlich die Angst an. Tissone atmete tief durch und erklärte ihr in ein paar knappen Sätzen die Situation.
»O mein Gott!«, sagte sie mit tonloser Stimme, nachdem er ihr von dem kleinen Kreuz mit Danieles Namen erzählt hatte.
Als Tissone dann aber von seinem Telefonat mit Daniele erzählte und sie fragte, ob sie wisse, wo er und Matthias sich aufhalten könnten, schrie sie ins Telefon: »Dieser Hund! Sind sie doch tatsächlich ohne mich gefahren ... Na, die können was erleben!«
»Signorina, das hört sich an, als wüssten Sie, wohin die beiden wollten.«
»Nicht die beiden, Commissario, sondern wir drei, und zwar morgen ... heute ... später. Natürlich weiß ich es. Schließlich habe ich den Ort im Internet gefunden.«
»
Was
haben Sie gefunden?«
Alicia berichtete ihm hastig, wie sie mit Monsignore Bertonis Hilfe auf das Castello gekommen waren.
»Und wo genau liegt dieses Castello?«, fragte Tissone.
»Ich fahr mit Ihnen hin«, antwortete sie.
»Das geht nicht. Erstens weiß ich gar nicht, ob wir selbst hinfahren, zweitens darf ich keine Zivilistin zu einem Einsatz mitnehmen, und drittens . . .«
»Und drittens verrate ich Ihnen nicht, wo dieses Castello liegt. Also?«
»Das kann nur mein Chef entscheiden, Signorina. Ich kann nicht . . .«
»Was sind Sie? Ein jämmerlicher Kriecher? Oder auch ein Mann? Ich ziehe mich schnell an, während Sie sich auf den Weg zu mir machen. Ihr Chef wird Ihnen schon nicht den Kopf abreißen. Sobald ich in Ihrem Auto sitze, sage ich Ihnen, wo Daniele hinwollte.«
»Nein, Signorina, Sie werden es mir jetzt sofort sagen!«, brüllte Tissone zu seiner eigenen Überraschung. »Weil Daniele womöglich gerade in Lebensgefahr ist, während Sie hier mit mir Ihre Spielchen treiben! Also: Ich möchte jetzt auf der Stelle wissen, wohin Daniele und Signore Matthias unterwegs sind, haben Sie verstanden? Jede Minute zählt!«
Drei, vier Sekunden vergingen, dann sagte sie kleinlaut: »Das Castello liegt drei Kilometer von einem kleinen Ort entfernt, der Marmore heißt, etwa hundertzehn Kilometer nördlich von Rom. Die nächstgrößere Stadt ist Terni.«
»Terni kenne ich«, sagte Tissone. »Ziehen Sie sich an, ich hole Sie ab.«
Nur dreißig Minuten später brachen sie nach Marmore auf. Tissone fuhr mit hoher Geschwindigkeit durch die leeren Straßen Roms. Neben ihm saß sein Chef. Barberihatte gleich nach Tissones zweitem Anruf die Kollegen in Terni informiert. Sie hatten ihm zugesichert, sofort mit mehreren Polizisten zum Castello aufzubrechen und dort nach dem Rechten zu sehen.
»Ich hoffe, wir finden die beiden«, murmelte Tissone nach einer Weile.
»Ich wünsche mir fast, dass wir uns mit dem Castello getäuscht haben und es dort niemanden gibt, der ihnen etwas antun kann«, sagte Alicia von der Rücksitzbank.
»Daniele kann sich jedenfalls auf etwas gefasst machen«, brummte Barberi. »Uns seine Erkenntnisse vorenthalten und
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