Castello Christo
meinen Ausweis nicht eingesteckt, weil wir mitten in der Nacht losgefahren sind. Aber Sie können mir glauben . . .«
»Schnauze!«, herrschte der Mann ihn an. »Ausweis vergessen. Ha! Und dann noch ein paar tattrigen Mönchen auf der Spur! Ein besseres Lügenmärchen fällt Ihnen wohl nicht ein? Sagen Sie mir endlich, wer Sie wirklich sind und was Sie hier verloren haben!«
»Warum rufen Sie nicht die Polizei?«, mischte sich nun Matthias ein. »Wenn Sie uns für Einbrecher halten, ist es doch Ihre Pflicht, sie zu verständigen.«
»Wir sollen sie reinbringen«, erklärte in diesem Moment der zweite Sicherheitsmann, der mit dem Walkie-Talkie wieder näher trat.
»Was ist mit der Polizei?«, versuchte Matthias es noch einmal.
»Mund halten und umdrehen. Und die Arme schön oben lassen!«
Sie gehorchten und wurden gleich darauf am ganzen Körper abgetastet.
»Sieh an, der vermeintliche Commissario hat gleich zwei Pistolen. Die römische Polizei scheint viel Geld zu haben.«
Beide Sicherheitsmänner lachten laut auf, und nachdem sie ihnen auch noch ihre Handys weggenommen hatten, bekamen Varotto und Matthias einen Stoß in den Rücken.
»Los jetzt, vorwärts.«
Die Männer dirigierten sie nach rechts um die Mauer herum zu dem massiven doppelflügeligen Holztor. Etwa auf Brusthöhe war eine Klappe eingelassen. Noch bevor sie sich bemerkbar machen konnten, wurde sie geöffnet. Ein bärtiges Gesicht tauchte auf, dann eine Hand mit einer Taschenlampe, mit der ihnen ins Gesicht geleuchtet wurde. Geblendet schlossen sie die Augen.
Sekunden später wurde das Tor mit einem lauten Knarren geöffnet, und die beiden Sicherheitsmänner trieben sie unsanft auf einen großen rechteckigen Sandplatz, der von mehreren Scheinwerfern an den drei Gebäuden beleuchtet wurde, die den Platz u-förmig umgaben. Direkt vor ihnen befand sich das größte Haus, dessen Dach sie von außen schon gesehen hatten, rechts davon ein niedriges Gebäude, in dem sich früher wahrscheinlich die Stallungen befunden hatten, und links eines, das ebenso wie das Haupthaus Wohnräume zu beherbergen schien.
»Los, nach rechts, da hinüber«, kommandierte der Muskelprotz hinter ihnen.
Zwei Minuten später betraten sie einen Raum, in dem ein langer Holztisch sowie mehrere Holzschemel standen. Drei weitere Männer des Sicherheitsdienstes lehnten an der Wand und musterten sie mit unbeweglicher Miene. Feindseligkeit war in ihren Blicken nicht zu entdecken, eher Neugier, was Varotto und Matthias mitten in der Nacht im Castello zu suchen hatten.
»Hinsetzen!«, sagte der Kerl mit dem Gewehr und deutete auf zwei der Schemel. Kaum saßen sie, trat einer der Männer näher, zog Kunststofffesseln aus der Tasche, wie sie auch die Polizei benutzte, und band ihnen die Hände auf den Rücken.
»Was soll das? Warum nehmen Sie uns gefangen?«, fragte Varotto verärgert, während der Mann hinter ihmsich vergewisserte, dass der Commissario die Fesseln nicht lösen konnte, dass sie ihm aber auch nicht zu sehr ins Fleisch schnitten.
»Viel interessanter ist doch die Frage, warum Sie sich um diese Uhrzeit hier herumtreiben.«
Der Mann mit der sonoren Stimme hatte den Raum gerade erst betreten und baute sich nun, die Daumen lässig in die Taschen seiner Jeans eingehängt, vor den beiden auf. Sein braungebranntes Gesicht unter dem mit silbernen Fäden durchzogenen schwarzen Haar strahlte Autorität aus. Er mochte um die vierzig sein. Mit Sicherheit ist das der Boss, dachte Matthias. Auf der Brust war ein Namensschild aus Stoff auf die Jacke aufgenäht: J. Gimbala. Ein Verbrecher mit Namensschild?, fragte er sich im Stillen. Die Geschichte wurde immer verrückter.
»Das habe ich Ihrem Kollegen schon zu erklären versucht«, blaffte Varotto den Mann an. »Aber vielleicht haben Sie ja mehr Hirn als er und begreifen, dass Sie sich gerade in enorme Schwierigkeiten bringen. Ich bin Commissario Daniele Varotto von der Questura und mit der Aufklärung einer Mordserie beschäftigt. Die Ermittlungen haben uns hierhergeführt.«
Der Mann dachte einen Moment nach, dann verzog sich sein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
»Oh, natürlich. Wahrscheinlich sind Sie der Commissario Varotto, über den gestern dieser interessante Artikel in der Zeitung gestanden hat.«
»Genau der bin ich«, knurrte Varotto.
»Er faselte etwas von einem Dienstausweis, nur leider, leider habe er ihn zu Hause vergessen. So ein Zufall aber auch.« Der Mann mit dem Gewehr lachte wieder
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