Castello Christo
auch noch auf eigene Faust weiterermitteln!«
»Was blieb ihm denn anderes übrig, nachdem Sie ihn beurlaubt hatten?«
Alicia hatte sich nach vorne gebeugt. Ihre Stimme klang angriffslustig.
Barberi drehte sich zu ihr um. »Die Beurlaubung war nicht meine Idee gewesen, sondern eine Anweisung von ganz oben.«
»Und ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, sich für einen Ihrer Mitarbeiter einzusetzen, wenn Sie das Gefühl haben, dass er ungerecht behandelt wird?«
»Signorina Egostina, wir wollen doch nicht vergessen, dass der Auslöser für Danieles Suspendierung ein Leitartikel war, der in
Ihrer
Zeitung erschienen ist.«
»Stimmt, aber ich bin nicht der verantwortliche Chefredakteur. Von dem Artikel habe ich erst erfahren, als Daniele es mir erzählt hat. Es ist doch wohl etwas anderes, wenn . . .«
»Ich denke, wir sollten uns jetzt lieber um die Gefahr Gedanken machen, in die Daniele sich gebracht hat«, fiel Tissone ihr ins Wort.
»Sie haben recht, das sollten wir«, lenkte sie ein. »Aberwenn das hier vorbei ist, werde ich mir überlegen, ob ich nicht einen Artikel über das Obrigkeitsdenken in gewissen Polizeibehörden schreiben sollte.«
Barberi sog hörbar die Luft ein, schluckte dann aber seinen Ärger hinunter. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber jetzt erzählen Sie uns bitte, was genau Sie herausgefunden haben.«
»Ein Freund eines Kurienmitglieds hat offenbar etwas mit dieser Mordserie zu tun«, begann Alicia. »Er . . .«
Il Castello
55
»Umdrehen! Und schön die Hände über den Kopf. Wenn einer von Ihnen eine komische Bewegung macht, schieße ich.«
Sowohl Matthias als auch der Commissario drehten sich langsam um. Die beiden Männer standen so, dass der gelbliche Schein des Castello seitlich auf ihre Gesichter fiel.
Matthias wusste selbst nicht, was er erwartet hatte, aber die kurzen schwarzen Jacken und Jeans überraschten ihn. Der Mann mit der Waffe im Anschlag mochte Anfang dreißig sein. Er war sehr muskulös und hatte ein kantiges Gesicht, das ihm mit den millimeterkurzen dunklen Haaren das Aussehen eines Söldners verlieh. Störend war nur der dicke auffällige Ring, den er im rechten Ohr trug. Der andere hingegen hatte ein Durchschnittsgesicht und mochte wohl zwanzig Kilo zu viel auf die Waage bringen, wie die rundlich ausgebeulte Jacke vermuten ließ. Auf den Jacken stand in weißer Schrift »
Guardia Di Sicurezza«.
Ein Sicherheitsdienst?, dachte Matthias verwundert, undgleichzeitig schwand sein Glaube daran, dass in dem Castello tatsächlich etwas zu finden war, das ihnen bei der Aufklärung der Kreuzwegmorde weiterhelfen konnte. Serienmörder, die einen Sicherheitsdienst engagierten, konnte er sich jedenfalls nicht vorstellen. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihm, dass Varotto offensichtlich die gleichen Gedanken beschäftigten.
»Wer sind Sie und was wollen Sie hier?«, fragte der Muskelprotz, dessen Gewehrlauf Matthias kurz zuvor im Nacken gespürt hatte.
Der zweite, offenbar unbewaffnete Mann war ein paar Schritte zurückgetreten und sprach in ein Walkie-Talkie.
»Commissario Daniele Varotto, von der Questura in Rom. Sie werden eine Menge Ärger bekommen, wenn Sie noch länger Ihre Waffe auf uns richten«, knurrte Varotto.
»Was Sie nicht sagen!« Der Sicherheitsmann grinste. »Tut mir leid, aber die Masche zieht nicht. Man hat uns schon vorgewarnt, dass diejenigen, die hier einzubrechen versuchen, sich als Polizisten ausgeben. Also noch einmal: Wer sind Sie?«
Man hatte sie vorgewarnt? Wieder sahen Matthias und der Commissario sich an, bevor Varotto sich an den Sicherheitsmann wandte.
»Ich habe meinen Ausweis in der Hosentasche. Wenn ich die Hände runternehmen darf . . .«
»Aber ganz langsam, verstanden?«
»Finden Sie es nicht auch seltsam, dass man Sie
vorgewarnt
hat?«, fragte Varotto, während er in Zeitlupentempo seinen Ausweis erst in der linken, dann in der rechten Gesäßtasche suchte. »Könnte es nicht vielleicht sein, dass Ihre Auftraggeber wussten, dass die Polizei ihnen auf der Spur ist, und man Sie dazu benutzt, uns aufzuhalten?«
»Aber klar, die Polizei ist hinter ein paar Mönchen her«,antwortete der Mann. »Was haben sie verbrochen? Den Opferstock im Petersdom geklaut? So ein Blödsinn!«
Erst als seine Fingerspitzen auch in der zweiten Hosentasche nichts ertasteten, fiel Varotto siedendheiß ein, dass er Barberi seinen Ausweis übergeben hatte. Schweiß trat ihm auf die Stirn. Langsam zog er die Hand wieder zurück.
»Ich habe
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