Castillo der Versuchung
wurde, wie Belinda über die Verteilung ihres Besitzes verfügt hatte. Dieses Versäumnis wollte er gerade anmerken, als Sophie sagte: „Es ist ganz einfach, man muss nur wollen.“ Seitdem sie das Büro des Notars betreten hatten, warf sie dem hochgewachsenen Spanier erstmals einen flüchtigen Blick zu. Ihre grünen Augen funkelten allerdings zornerfüllt. „Ich weiß nicht, was über Belinda gekommen ist, als sie dich zusätzlich zum Vormund er…“
„Vielleicht gesunder Menschenverstand?“, kommentierte Antonio trocken.
„Ich nehme an, sie hatte Angst, dass sie und ich gemeinsam einen Unfall haben könnten.“ Sophie lief erneut rot an, während sie sich krampfhaft bemühte, Haltung zu bewahren. „Wir sprechen hier vom Extremfall, aber glücklicherweise ist der ja nicht eingetreten. Ich bin jung und gesund und sehr wohl in der Lage, mich allein um Lydia zu kümmern.“
„Da bin ich aber anderer Meinung“, sagte Antonio leise.
Sophie biss die Zähne zusammen. „Du kannst denken, was du willst, aber es wird nichts ändern!“, erwiderte sie scharf.
„Ihre Schwester hat sowohl Sie als auch den Marqués als Vormund für ihre Tochter benannt“, führte der Notar weiter aus. „Das bedeutet, dass Sie sich das Sorgerecht für das Kind teilen.“
„Wie bitte?“, rief Sophie entrüstet.
„Wir sorgen gemeinsam für Lydia.“ Antonio konnte nicht umhin, diese Tatsache noch einmal zu unterstreichen.
„Ohne Anrufung des Gerichts ist keine andere Auslegung der Sorgerechtsverfügung möglich“, verkündete der Notar.
„Das ist eine Unverschämtheit!“, protestierte Sophie.
„Bei allem Respekt, aber ich denke schon, dass es meiner Familie gestattet sein sollte, an der Erziehung des Kindes meines Bruders teilzuhaben.“
„Wieso?“, rief Sophie wutentbrannt und sprang auf. „Damit deine werte Familie bei Lydia die gleichen Fehler machen kann wie bei Pablo?“
Plötzlich war Antonio seine Verärgerung deutlich anzusehen. Er wirkte angespannt. „Unsere Geschwister sind beide tot. Diesem Umstand wollen wir doch bitte Respekt zollen.“
„Du hast mir gar nichts zu befehlen, und schon gar nicht, dass ich nur Gutes über Pablo reden soll, nur weil er tot ist!“, stieß Sophie aufgebracht hervor. Ihre Augen schienen Funken zu sprühen. „Dein Bruder hat das Leben meiner Schwester zerstört!“
„Könnte ich vielleicht einen Augenblick allein mit Miss Cunningham sprechen?“, wandte sich Antonio nun an den Notar.
Der Mann hatte sich während der immer hitziger werdenden Debatte höchst unbehaglich gefühlt und verließ erleichtert den Raum.
„Setz dich hin!“, befahl Antonio kühl. Er war entschlossen, sich von Sophies Anschuldigungen nicht provozieren zu lassen. „Sei froh, dass ich mich nicht mit dir streiten werde. Vorwürfe sind in so einer Situation sinnlos und unangebracht. Das Wohl des Kindes muss an erster Stelle –“
„Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, erst recht nicht, was richtig und was falsch ist.“ Sophie war so wütend, dass nur ein Schrei ihre Gefühle hätte ausdrücken können. Aber sie musste sich beherrschen. Daher ballte sie nur die Fäuste, erhob sie jedoch nicht gegen Antonio. „Aber lass dir eins gesagt –“
„Ab jetzt redest du nur noch, wenn du gefragt wirst.“ Antonio hatte sich erhoben. Er wirkte elegant wie immer und ließ keinerlei Anzeichen von Eile erkennen. „Außerdem wirst du deine Stimme senken und deine Ausdrucksweise mäßigen.“
„Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Als wäre ich ein dummes Kind“, fuhr Sophie ihn an. „Du kommst hier einfach hereingeschneit, legst das Recht aus, wie es dir beliebt, und benimmst dich, als wüsstest du alles besser.“
„Nun, das ist höchstwahrscheinlich auch so“, konterte Antonio. „Ich weiß, dass du mit Belindas Tod erst kürzlich einen schweren Verlust hinnehmen musstest, und wahrscheinlich hat die Trauer dein Temperament –“
„Das hat nichts damit zu tun. Ich kann dich einfach nicht ausstehen. Aber deshalb schreie ich dich nicht an!“ Sophies grüne Augen funkelten. „Sondern wegen Pablo. Dein verkommener Bruder hat meiner Schwester alles genommen, sich in ihrem Namen verschuldet und sie dann einfach sitzenlassen. Er war ein entsetzlicher Lügner und Betrüger und hat ihr ganzes Geld im Casino und beim Pferderennen verjubelt. Und als nichts mehr übrig war, hat er zu ihr gesagt, dass er sie ohnehin nie geliebt hätte, und ist auf und davon.“
Antonio zeigte sich
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