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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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hindern. Er biß die Zähne zusammen und versuchte, nichts zu hören, als Sergeant Whitcomb frohlockend über das tragische Ereignis schwätzte. Zwölf Gefallene bedeutete, daß man zwölf Schemabriefe mit Colonel Cathcarts hektographierter Unterschrift an die nächsten Angehörigen schicken konnte, und das gab Sergeant Whitcomb Anlaß zu der Hoffnung, rechtzeitig zu Ostern einen Artikel über Colonel Cathcart in der >Washington Post< unterbringen zu können.
    Über dem Flugfeld lastete ein Schweigen, das jede Bewegung verhinderte und brutal und gefühllos wie ein Hexenbann alle Wesen versteinerte, die es hätten brechen können. Der Kaplan war tief beeindruckt. Einem so mächtigen, erschreckenden Schweigen hatte er sich bis dahin noch nie gegenüber gesehen. Vor dem Zelt der Flugleitung standen beinahe zweihundert müde, hagere Männer, die benommen und niedergeschlagen vor sich hinstarrten und ihre Fallschirme umklammert hielten. Es schien, als wollten sie nicht gehen, als seien sie unfähig, sich zu rühren. Der Kaplan war sich sehr des leisen Geräusches bewußt, das seine Schritte machten, als er sich näherte. Er suchte hastig und wie von Sinnen in dieser Ansammlung schlaffer Gestalten. Endlich erspähte er mit einem Gefühl ungeheuerer Erleichterung Yossarián, doch sank ihm gleich darauf der Unterkiefer herab, als er voller Bestürzung auf Yossariáns Gesicht den zerquälten, dunklen Schatten hilfloser Verzweiflung sah. Er begriff sogleich, daß Nately tot war, und schrak vor dieser Erkenntnis zurück wie vor einem körperlichen Schmerz. Er schüttelte mit protestierender, flehender Miene den Kopf. Sein Wissen versetzte ihm einen betäubenden Schlag. Das Blut wich aus seinen Beinen, und er glaubte zu fallen. Nately war tot. Die Hoffnung, er könnte sich geirrt haben, ging unter in dem Gemurmel, das er jetzt erst vernahm, und in dem Natelys Name immer wieder deutlich hörbar wurde. Nately war tot, der Junge war gefallen. Ein Winseln stieg in die Kehle des Kaplans, und sein Unterkiefer begann zu zittern. Tränen traten ihm in die Augen, und nun weinte er. Auf Zehenspitzen näherte er sich Yossarián, um stumm an dessen Seite zu trauern. In diesem Augenblick packte ihn jemand am Arm und fragte grob: »Sind Sie Kaplan Tappman?«
    Überrascht wandte er sich um und erblickte einen beleibten, streitlustig aussehenden Colonel mit dickem Kopf und Schnurrbart und glatter, rosiger Haut. Diesen Mann hatte er nie zuvor gesehen. »Ja. Was wollen Sie?«
    Die Finger, die seinen Arm umfaßt hielten, taten ihm weh, und er versuchte vergeblich, sich loszumachen.
    »Kommen Sie mit.«
    Verwirrt und ängstlich sträubte sich der Kaplan. »Wohin? Warum? Wer sind Sie überhaupt?«
    »Kommen Sie lieber mit, Pater«, sagte ehrerbietig und kummervoll ein magerer, habichtnasiger Major, der auf der anderen Seite des Kaplans auftauchte. »Wir haben den dienstlichen Auftrag, Ihnen einige Fragen zu stellen.«
    »Was für Fragen? Was soll das überhaupt?«
    »Sind Sie nicht Kaplan Tappman?« fragte der dicke Colonel.
    »Ja, der ist es«, ließ sich Sergeant Whitcomb vernehmen.
    »Gehen Sie schon mit«, rief Captain Black dem Kaplan höhnisch und schadenfroh zu. »Es ist gesünder für Sie, wenn Sie freiwillig in das Auto dort steigen.«
    Der Kaplan fand sich unwiderstehlich fortgezogen. Er wollte Yossarián zu Hilfe rufen, doch der war außer Rufweite. Einige der in seiner Nähe stehenden Männer sahen ihn neugierig an. Brennende Schamröte auf den Wangen, wandte der Kaplan sich ab, ließ sich zum Wagen führen und nahm zwischen dem fetten Colonel mit dem großflächigen, rosigen Gesicht und dem mageren, entmutigten, salbungsvollen Major Platz. Ganz mechanisch streckte er nach jeder Seite eine Hand aus, als erwarte er, gefesselt zu werden. Neben dem Fahrersitz saß bereits ein Offizier.
    Ein großer Militärpolizist mit Trillerpfeife und weißem Helm setzte sich ans Steuer. Der Kaplan öffnete die Augen erst wieder, als das Auto schon ein Weilchen unterwegs war und mit girrenden Reifen über den zerlöcherten Asphaltbelag dahinfuhr.
    »Wohin bringen Sie mich?« fragte er leise mit einer Stimme, die Schüchternheit und Schuldbewußtsein dämpften, und hielt den Blick gesenkt. Es ging ihm durch den Kopf, daß man ihn für den Zusammenstoß in der Luft und für Natelys Tod verantwortlich machen wolle. »Was habe ich denn getan?«
    »Warum halten Sie nicht die Klappe und überlassen uns die Fragen?« versetzte der Colonel.
    »Reden Sie nicht so

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