Catch 22
Beispiel habe keine Ahnung, was das ist. Das müssen Sie zugeben. Und das spricht doch für eine gewisse Anrüchigkeit.«
»Ich weiß nicht, Sir«, stammelte der Kaplan ausweichend. Es irritierte ihn, daß der Mann keine Rangabzeichen hatte, er wußte nicht einmal, ob jener ein Recht auf die Anrede »Sir« besaß. Wer war das? Und mit welchem Recht stellte er Fragen?
»Kaplan, ich habe mal Latein gelernt. Ich halte es für geboten, Sie darüber aufzuklären, ehe ich meine nächste Frage stelle. Das Wort Anabaptist bedeutet doch nur, daß Sie kein Baptist sind?«
»O nein, Sir, es bedeutet viel mehr.«
»Sind Sie denn Baptist?«
»Nein, Sir.«
»Dann sind Sie also kein Baptist?«
»Sir?«
»Ich verstehe nicht, wie Sie über diesen Punkt streiten können, Sie haben es doch bereits zugegeben. Weiter. Wenn Sie sagen, Sie seien kein Baptist, Kaplan, dann sagen Sie doch eigentlich nichts darüber aus, was Sie wirklich sind. Sie könnten alles mögliche sein.« Er lehnte sich ein wenig vor und nahm eine schlaue, wichtigtuerische Miene an. »Sie könnten sogar Washington Irving sein.«
»Washington Irving?« wiederholte der Kaplan überrascht.
»Na los, Washington«, fiel der beleibte Colonel zornig ein. »Warum packen Sie nicht endlich aus? Wir wissen, daß Sie die Tomate gestohlen haben.«
Nach einem flüchtigen Schreck kicherte der Kaplan nervös und erleichtert. »Ach, darum geht es!« rief er. »Jetzt fange ich an zu begreifen. Ich habe die Tomate nicht gestohlen. Colonel Cathcart hat sie mir geschenkt. Sie dürfen ihn gerne fragen, falls Sie mir nicht glauben.«
Am anderen Ende des Kellerraumes öffnete sich eine Tür und Colonel Cathcart trat hervor wie aus einem Schrank.
»Guten Tag, Colonel. Colonel, er behauptet, Sie hätten ihm eine Tomate geschenkt. Stimmt das?«
»Warum sollte ich ihm wohl eine Tomate schenken?« antwortete Colonel Cathcart.
»Vielen Dank, Colonel. Das war alles.«
»Es war mir ein Vergnügen, Colonel«, erwiderte Colonel Cathcart, verließ den Kellerraum und schloß die Tür hinter sich.
»Nun Kaplan? Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Doch hat er sie mir geschenkt!« zischte der Kaplan wild und gleichzeitig verängstigt. »Er hat sie mir geschenkt!«
»Wollen Sie einen hohen Offizier der Lüge bezichtigen?«
»Warum sollte ein hoher Offizier Ihnen eine Tomate schenken wollen, Kaplan?«
»Haben Sie deshalb versucht, die Tomate an Sergeant Whitcomb weiterzugeben, weil es eine heiße Tomate war?«
»Nein, nein, nein«, protestierte der Kaplan, ganz unglücklich darüber, daß man ihn nicht verstehen wollte. »Ich habe sie Sergeant Whitcomb angeboten, weil ich sie nicht haben wollte.«
»Warum haben Sie sie Colonel Cathcart gestohlen, wenn Sie sie gar nicht wollten?«
»Ich habe sie Colonel Cathcart nicht gestohlen.«
»Warum benehmen Sie sich so schuldig, wenn Sie die Tomate nicht gestohlen haben?«
»Ich bin nicht schuldig.«
»Warum sollten wir Sie verhören, wenn Sie nicht schuldig wären?«
»Oh, ich weiß einfach nicht«, ächzte der Kaplan, rang die Hände im Schoß und schüttelte sein gramgebeugtes Haupt. »Ich weiß es nicht.«
»Er glaubt offenbar, daß wir unsere Zeit gestohlen haben«, grunzte der Major.
»Kaplan«, begann der Offizier ohne Rangabzeichen von neuem, diesmal gemütlicher, und nahm dabei ein mit Maschine beschriebenes Blatt aus dem Hefter, »ich habe hier die beglaubigte Aussage von Colonel Cathcart, in der er Sie beschuldigt, ihm eine Tomate gestohlen zu haben.« Er legte das Blatt umgekehrt auf die linke Seite des Hefters und ergriff ein zweites Blatt. »Und hier ist eine notariell beglaubigte Aussage von Sergeant Whitcomb, in der es heißt, er habe an der Art, wie Sie versucht haben, sie ihm aufzudrängen, sofort erkannt, daß es sich um eine heiße Tomate gehandelt habe.«
»Ich schwöre bei Gott, daß ich sie nicht gestohlen habe«, beteuerte der Kaplan ganz außer sich und beinahe weinend.
»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort darauf, daß es keine heiße Tomate war.«
»Glauben Sie an Gott, Kaplan ?«
»Selbstverständlich, Sir.«
»Sehr merkwürdig«, sagte der Offizier und entnahm dem Hefter ein weiteres mit Maschine beschriebenes Blatt, »denn hier habe ich ein Schriftstück, in dem Colonel Cathcart eidesstattlich erklärt, Sie hätten sich geweigert, ihm dabei behilflich zu sein, vor jedem Feindflug im Instruktionszelt ein gemeinsames Gebet abzuhalten.«
Der Kaplan sah aus, als habe er nicht recht gehört, nickte aber gleich darauf,
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