Catch 22
desillusioniert und warf den Block auf den Tisch, auf den der Kaplan seinen Namen geschrieben hatte. »Dies ist nicht Ihre Handschrift.«
Der Kaplan zwinkerte erstaunt. »Selbstverständlich ist das meine Handschrift.«
»Nein, das ist sie nicht, Kaplan. Sie lügen schon wieder.«
»Aber ich habe das doch eben geschrieben!« rief der Kaplan gereizt. »Sie haben mir selber dabei zugesehen.«
»Das ist es ja gerade«, versetzte der Major bitter. »Ich habe gesehen, daß Sie das geschrieben haben. Sie können gar nicht bestreiten, daß Sie es geschrieben haben. Und ein Mensch, der in bezug auf die eigene Handschrift lügt, lügt immer.«
»Wer hat denn aber in bezug auf meine Handschrift gelogen?«
schrie der Kaplan, dessen Angst in einer Welle von Ärger und Entrüstung untergegangen war, die er in sich hochsteigen fühlte.
»Sind Sie verrückt? Wovon reden Sie überhaupt?«
»Wir haben Sie aufgefordert, Ihren Namen in Ihrer eigenen Handschrift niederzuschreiben, und das haben Sie nicht getan!«
»Das habe ich doch getan! In wessen Handschrift habe ich denn geschrieben, wenn nicht in meiner?«
»In der eines anderen.«
»In wessen?«
»Das werden wir jetzt herausbekommen«, sagte der Colonel drohend. »Gestehen Sie, Kaplan!«
Der Kaplan sah mit wachsendem Zweifel und steigender Hysterie von einem zum anderen. »Dies ist meine Handschrift«, behauptete er leidenschaftlich. »Oder wie sieht meine Handschrift aus, wenn sie das nicht ist?«
»So«, antwortete der Colonel. Und mit erhabener Miene warf er die Photokopie eines Feldpostbriefes auf den Tisch, dessen gesamter Inhalt ausgeschwärzt war mit Ausnahme der Anrede »Liebe Mary«
und unter den der Zensor geschrieben hatte »Ich sehne mich gräßlich nach dir. A. T. Tappman, Kaplan, US Army«. Der Colonel lächelte verächtlich, als er sah, wie das Gesicht des Kaplans sich rötete.
»Nun, Kaplan? Wissen Sie, wer das geschrieben hat?«
Der Kaplan zögerte mit der Antwort; er hatte Yossariáns Handschrift erkannt. »Nein.«
»Sie können doch aber lesen, was?« fuhr der Colonel sarkastisch fort.
»Der Verfasser dieser Mitteilung hat seinen Namen daruntergesetzt.«
»Da steht mein Name.«
»Also haben Sie das geschrieben. Q. E. D.«
»Aber ich habe das nicht geschrieben. Das ist nicht meine Handschrift.«
»Dann haben Sie die Handschrift eines anderen nachgeahmt«, erwiderte der Colonel gleichmütig. »Was anderes kann es nicht bedeuten.«
»Oh, das ist wirklich lachhaft!« schrie der Kaplan, dem plötzlich die Geduld restlos ausgegangen war. Wütend und mit geballten Fäusten schoß er in die Höhe. »Ich lasse mir das nicht länger gefallen! Verstehen Sie mich? Gerade eben erst sind zwölf Männer gefallen, und ich habe einfach keine Zeit, Ihre törichten Fragen zu beantworten! Sie haben nicht das Recht, mich hier festzuhalten, und ich lasse mir das nicht mehr bieten.«
Ohne ein Wort zu sagen, stieß der Colonel den Kaplan vor die Brust. Der Kaplan fiel auf seinen Stuhl zurück und fühlte sich plötzlich wieder schwach und ängstlich werden. Der Major packte das Stück Schlauch und klopfte damit drohend auf seinen Handteller. Der Colonel ergriff die Zündholzschachtel, nahm ein Hölzchen heraus, hielt es gegen die Reibfläche und wartete mit finster zusammengezogenen Brauen auf einen weiteren Ausbruch des Kaplans. Der Kaplan war blaß und fast gelähmt. Das grelle Licht des Scheinwerfers ließ ihn endlich das Gesicht abwenden; das Wasser tropfte jetzt vernehmlicher, und das Tropfen war unerträglich aufreizend. Er wünschte, sie möchten ihm sagen, was sie von ihm verlangten, damit er wisse, was er zu gestehen habe. Er wartete verkrampft, während der dritte Offizier auf ein Zeichen des Colonels herantrat und sich nur Zentimeter vom Kaplan entfernt auf dem Tisch niederließ. Seine Miene war ausdruckslos, die Augen durchdringend und kalt.
»Machen Sie das Licht aus, es stört«, sagte er leise und ruhig über die Schulter.
Der Kaplan dankte ihm mit einem kleinen zaghaften Lächeln.
»Danke, Sir. Und bitte auch den Wasserhahn.«
»Der Wasserhahn kann so bleiben, er stört mich nicht«, sagte der Offizier. Er zog die Hosen etwas hoch, als wolle er seine adrette Bügelfalte schonen. »Kaplan«, sagte er, »welcher Konfession gehören Sie an?«
»Ich bin Anabaptist, Sir.«
»Das ist ein ziemlich anrüchiges Bekenntnis, nicht wahr?«
»Anrüchig?« erkundigte sich der Kaplan arglos und verwirrt.
»Warum anrüchig, Sir?«
»Nun, ich zum
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