Catch 22
ist aber nicht anständig, Sir«, entgegnete Milo. »Was wird dann aus mir? Die Kameraden ernten den Ruhm, die Auszeichnungen und die allgemeine Anerkennung. Warum soll ich dafür bestraft werden, daß ich ein so guter Messoffizier bin?«
»Nein, Milo, das ist wirklich nicht anständig. Ich sehe aber nicht, wie wir das ändern können.«
»Vielleicht kann es jemand übernehmen, meine Einsätze für mich zufliegen.«
»Vielleicht kann es jemand übernehmen, Ihre Einsätze für Sie zu fliegen«, schlug Colonel Cathcart vor. »Wie wäre es mit streikenden Bergarbeitern aus Pennsylvania und West-Virginia?«
Milo schüttelte den Kopf. »Deren Ausbildung würde zu lange dauern. Warum aber nicht die Männer vom Geschwader, Sir?
Schließlich opfere ich mich für sie, und da sollten sie bereit sein, auch für mich etwas zu tun.«
»Warum schließlich nicht die Männer vom Geschwader, Milo«, rief Colonel Cathcart. »Schließlich opfern Sie sich für sie, und sie sollten bereit sein, auch etwas für Sie zu tun.«
»Das ist nur recht und billig.«
»Das ist nur recht und billig.«
»Sie könnten sich ja abwechseln, Sir.«
»Sie könnten ja abwechselnd für Sie Einsätze fliegen, Milo.«
»Und wem werden sie angerechnet?«
»Die werden Ihnen angerechnet, Milo. Und wenn jemand, der für Sie den Einsatz fliegt, eine Auszeichnung erhält, dann gehört die Auszeichnung selbstverständlich Ihnen.«
»Und wer stirbt, wenn er abgeschossen wird?«
»Der andere selbstverständlich. Schließlich ist das nur recht und billig. Da ist nur noch eines zu bedenken.«
»Sie werden die Anzahl der vorgeschriebenen Feindflüge heraufsetzen müssen.«
»Es kann sein, daß ich die Zahl der vorgeschriebenen Feindflüge heraufsetzen muß, und ich weiß nicht, ob die Männer wirklich fliegen werden. Sie sind schon sehr wütend, weil ich sie auf siebzig heraufgesetzt habe. Wenn ich aber einen der Offiziere dazu bringe, daß er fliegt, werden es die anderen wahrscheinlich auch tun.«
»Nately ist bereit, weitere Einsätze zu fliegen, Sir«, sagte Milo.
»Man hat mir erst kürzlich im strengsten Vertrauen mitgeteilt, daß er zu allem bereit ist, wenn er nur hier und bei dem Mädchen bleiben darf, in das er sich verliebt hat.«
»Nately wird also fliegen!« erklärte Colonel Cathcart und klatschte sieghaft in die Hände. »Jawohl, Nately wird fliegen.
Und dieses Mal werde ich die Anzahl der erforderlichen Feindflüge gleich auf achtzig heraufsetzen und General Dreedle damit eins überbraten. Das ist auch ein guter Weg, um diese lausige Ratte Yossarián wieder in die Luft zu bringen, wo es ihn sehr leicht erwischen kann.«
»Yossarián?« Ein Beben tiefer Besorgnis ging über Milos schlichte, hausgemachte Züge, und er strich nachdenklich seinen rotbraunen Schnurrbart.
»Ganz recht, Yossarián. Wie ich höre, geht er umher und sagt, er hätte seine Feindflüge hinter sich, und für ihn sei der Krieg zu Ende. Nun, es kann ja sein, daß er seine Feindflüge hinter sich hat, Ihre Feindflüge hat er aber bestimmt nicht hinter sich. Haha!
Na, der wird aber überrascht sein!«
»Sir, Yossarián ist einer meiner Freunde«, widersprach Milo.
»Ich möchte keinesfalls dafür verantwortlich sein, daß er wieder fliegen muß. Ich schulde Yossarián viel. Könnten wir nicht eine Ausnahme für ihn machen?«
»O nein, Milo.« Colonel Cathcart war über diesen Vorschlag tief enttäuscht. »Man darf nie jemanden bevorzugen. Wir müssen alle gleich behandeln.«
»Ich würde Yossarián alles geben, was ich besitze«, versuchte Milo noch einmal Yossarián beizuspringen. »Weil mir aber nicht alles gehört, kann ich ihm nicht alles geben, nicht wahr? Da wird er also genauso wie alle anderen das Risiko auf sich nehmen müssen, wie?«
»Das ist nur recht und billig, Milo.«
»Jawohl, Sir, das ist recht und billig«, stimmte Milo zu. »Yossarián ist nicht besser als die anderen und hat kein Recht auf eine bevorzugte Behandlung, nicht wahr?«
»Nein, Milo. Das ist nur recht und billig.«
Und da Colonel Cathcart bereits am gleichen Nachmittag bekanntgab, daß die Zahl der vorgeschriebenen Feindflüge auf achtzig erhöht sei, fand Yossarián keine Zeit mehr, dem Kampf auszuweichen, keine Zeit mehr, Nately vom Fliegen abzuraten, und auch keine Zeit mehr, noch einmal mit Dobbs die Ermordung Colonel Cathcarts zu planen, denn früh am nächsten Morgen heulten die Sirenen, und die Männer wurden auf Lastwagen gejagt, ehe sie Zeit hatten zu frühstücken,
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