Catch 22
wurden mit größter Geschwindigkeit instruiert und zum Flugplatz gefahren, wo die ratternden Tankwagen noch die Maschinen betankten und das umherflitzende Bodenpersonal die schweren Sprengbomben hastig in die Bombenschächte hob. Alles ging im Laufschritt vor sich, und kaum waren die Maschinen aufgetankt, ließen die Piloten auch schon die Motoren warmlaufen.
Der Nachrichtendienst hatte gemeldet, daß die Deutschen an diesem Morgen einen beschädigten italienischen Kreuzer aus dem Trockendock von La Spezia vor die Einfahrt zum Hafen schleppen und dort versenken wollten, um dadurch den Hafen für die Alliierten unbrauchbar zu machen, die vor der Einnahme der Stadt standen. Ausnahmsweise hatte der Nachrichtendienst einmal recht gehabt. Der lange Schiffsrumpf lag bereits zur Hälfte quer vor der Hafeneinfahrt, als die Besatzungen von Westen her anflogen, und die Volltreffer, mit denen sie ihn auseinandersprengten, verschafften ihnen eine unerhörte Befriedigung. Stolz auf dieses gemeinschaftlich verrichtete Werk schwellte ihnen die Brust, bis sie sich plötzlich in einem dichten Feuervorhang befanden, der von den Geschützen aufstieg, die rings in den Bergen um die hufeisenförmige Bucht in Stellung gegangen waren. Selbst Havermeyer entschloß sich zu den wildesten Ausweichmanövern, als er erkannte, wie weit er noch zu fliegen hatte, um diesem Hexenkessel zu entrinnen, und Dobbs, der eine der in dieser Formation fliegenden Maschinen steuerte, zickte, als er zacken sollte, rammte die Nachbarmaschine und riß ihr das Heck ab. Eine seiner Tragflächen brach am Rumpf weg, sein Bomber fiel wie ein Stein und war im nächsten Augenblick nicht mehr zu sehen. Das geschah ohne Flammen, ohne Rauch, ohne jeden unschicklichen Lärm. Die abgetrennte Tragfläche kreiselte schwerfällig wie ein knirschender Zementmischer, während die Maschine mit der Nase voran immer schneller kerzengerade herabstürzte, bis sie aufs Wasser schlug, das sich unter dem Aufprall schäumend öffnete wie eine weiße Wasserlilie auf dunkelblauer See und einen Geysir apfelgrüner Bläschen über dem versinkenden Bomber aufsprudeln ließ. Es war eine Sache von Sekunden. Fallschirme wurden nicht mehr gebraucht. Und Nately, in der anderen Maschine, war ebenfalls tot.
Der Keller
Natelys Tod setzte um ein Haar dem Leben des Kaplans ein Ende. Kaplan Tappman saß im Zelt und quälte sich, die Lesebrille auf der Nase, mit seinem Papierkram, als er telefonisch von dem Zusammenstoß in der Luft unterrichtet wurde. Die Nachricht ließ ihn erstarren. Als er den Hörer hinlegte, tat er das mit zitternder Hand, und auch die andere Hand begann sogleich zu zittern. Dieses Unglück war zu gräßlich. Man durfte nicht darüber nachdenken. Zwölf Männer tot — wie grauenhaft, wie sehr, sehr schrecklich. Seine Angst nahm unablässig zu. Instinktiv betete er darum, daß Yossarián, Nately, Hungry Joe und seine anderen Freunde verschont geblieben sein möchten, machte sich dann aber schwere Vorwürfe, denn für die Sicherheit seiner Freunde beten hieß, um den Tod anderer junger Männer beten, die er nicht einmal kannte. Es war zu spät, um zu beten, doch etwas anderes verstand er nicht zu tun. Das Dröhnen, das sein Herzschlag verursachte, schien ein von außen herandringendes Geräusch zu sein, und er wußte: niemals wieder würde er im Behandlungsstuhl des Zahnarztes sitzen, ein chirurgisches Instrument betrachten, Zeuge eines Automobilunfalles werden oder einen Schrei in der Nacht hören, ohne dieses heftige Herzklopfen zu verspüren und die Angst, sterben zu müssen. Nie wieder würde er einer Prügelei zusehen können, ohne zu fürchten, ohnmächtig hinzuschlagen und sich den Kopf am Rinnstein zu zerschmettern, einen tödlichen Herzanfall oder einen Hirnschlag zu bekommen. Er fragte sich, ob er je wieder seine Frau und seine drei Kinder sehen werde. Er fragte sich, ob er das überhaupt noch dürfe, da doch Captain Black so schwere Zweifel an der Treue und dem Charakter der Frauen in ihm erweckt hatte. Er glaubte, daß es viele andere Männer gebe, die sie sexuell besser befriedigen könnten als er.
Seit kurzem mußte er stets an seine Frau denken, wenn er an den Tod dachte, und wenn er an seine Frau dachte, fürchtete er stets, sie zu verlieren.
Der Kaplan fühlte sich nun stark genug, aufzustehen und traurig und widerstrebend ins Nachbarzelt zu Sergeant Whitcomb zu gehen. Sie benutzten Sergeant Whitcombs Jeep. Der Kaplan ballte die Hände, um sie am Zittern zu
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