Catch 22
Sparsamkeit, immer vorausgesetzt, die Sparsamkeit hinderte die Regierung nicht daran, ihrer heiligsten Pflicht nachzukommen: den Farmern Höchstpreise für all die Luzerne zu zahlen, die sie anbauten und die niemand haben wollte, oder dafür daß sie überhaupt keine Luzerne anbauten. Er war ein stolzer, unabhängiger Mann und ein Gegner der Sozialversicherung, der niemals davor zurückschreckte, durch Winseln und Jammern, durch Bettelei und Erpressung soviel als möglich von wem immer herauszuschlagen.
Er war ein frommer Mann und seine Kanzel stand überall.
»Der Herrgott hat uns guten Farmern zwei starke Hände geschenkt, damit wir mit ihnen nehmen, was wir nur kriegen können«, predigte er mitreißend von den Stufen des Gerichtsgebäudes oder auch vor dem örtlichen Kaufhaus, während er darauf wartete, daß die übellaunige, gummikauende junge Kassiererin, auf die er es abgesehen hatte, herauskomme und ihn böse anblicke. »Wenn der Herrgott nicht gewollt hätte, daß wir soviel nehmen wie wir kriegen können, hätte er uns nicht zwei tüchtige Hände mitgegeben, um zu nehmen.« Und seine Zuhörer murmelten »Amen«.
Major Majors Vater hatte den calvinistischen Glauben an die Vorbestimmung und sah deutlich, daß sich im Mißgeschick seiner Mitmenschen, sein eigenes ausgenommen, der Wille Gottes offenbarte. Er rauchte Zigaretten und trank Whisky, er schätzte einen geistreichen Witz und ein kluges, anregendes Gespräch.
Ganz besonders gerne hörte er sich über sein 'Alter lügen oder den geistreichen Witz über Gott und die Mühe seiner Frau bei der Geburt von Major Major erzählen. Der geistreiche Witz von Gott und der Mühe seiner Frau hatte mit dem Faktum zu tun, daß Gott nur sechs Tage gebraucht hatte, um die Welt zu er-schaffen, seine Frau jedoch nach ganzen anderthalb Tagen nichts weiter produziert hatte als Major Major. Ein geringerer Mann hätte an jenem Tag im Korridor des Hospitals geschwankt, ein schwächerer Mann hätte vielleicht im Wege des Kompromisses einen so vorzüglichen Ersatznamen gewählt wie Sergeant Major oder Tambour Major, doch Major Majors Vater hatte vierzehn Jahre lang auf eine solche Gelegenheit gewartet und war nicht der Mensch, sie vorbeigehen zu lassen. Major Major kannte auch eine geistreiche Redensart, die auf diesen Fall anwendbar war: »Gelegenheit kommt nur einmal im Leben«, pflegte er zu sagen, und diese Perle der Weisheit wiederholte er bei jeder Gelegenheit.
Ihn von Geburt an Henry Fonda auf kränkliche Weise ähneln zu lassen, war nur der erste in einer langen Reihe geschmackloser Witzchen, die das Schicksal sich mit dem unglücklichen Major Major im Laufe seines freudlosen Daseins erlaubte. Ihn als Major Major Major auf die Welt kommen zu lassen, war der zweite üble Scherz. Daß er wirklich von Geburt an Major Major Major hieß, war ein nur seinem Vater bekanntes Geheimnis.
Erst als Major Major in den Kindergarten aufgenommen wurde entdeckte man seinen wirklichen Namen, und die Folgen waren verderbliche. Die Neuigkeit brachte seine Mutter ins Grab, die keine Lust mehr verspürte, weiterzuleben, dahinwelkte und starb, was seinem Vater sehr zupasse kam, da er beschlossen hatte, das übellaunige Mädchen aus dem Kaufhaus schlimmstenfalls zu heiraten, aber so recht keine Möglichkeit gesehen hatte, seine Frau loszuwerden, ohne sie mit Geld abzufinden oder aus dem Haus zu prügeln.
Für Major Major waren die Folgen kaum weniger schlimm. Es war schrecklich und niederschmetternd, in so zartem Alter entdecken zu müssen, daß er nicht, wie man ihn stets glauben gemacht hatte, Caleb Major war, sondern ein gänzlich fremder Mensch namens Major Major Major, von dem er nicht das geringste wußte und von dem auch die anderen noch nie etwas gehört hatten. Die Spielkameraden, die er besaß, zogen sich von ihm zurück und kamen nie wieder, denn sie hatten ein angeborenes Mißtrauen gegen alle Fremden, insbesondere gegen einen Fremden, der sie schon belegen hatte indem er sich für jemanden ausgab, den man seit jähren kannte. Niemand wollte mehr etwas mit ihm zu tun haben. Er fing an, Dinge tauen zu lassen und zu stolpern. Jede neue Bekanntschaft erfüllte ihn mit Hoffnung, und immer wieder wurde er enttäuscht. Da er so verzweifelt nach einem Freund verlangte, fand er nie einen. Mit der Zeit verwandelte er sich in einen unbeholfenen, hochaufgeschossenen, seltsam anmutenden verträumten Jungen mit verletzlichen Augen und einem sehr empfindsamen Mund, dessen versuchsweise
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