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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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nicht...«
    »Gerechtigkeit?« der Colonel war erstaunt. »Was ist Gerechtigkeit?«
    »Gerechtigkeit, Sir ...«
    »Das ist Gerechtigkeit nicht«, höhnte der Colonel und begann wieder mit seiner feisten Hand auf den Tisch zu schlagen. »Das ist Karl Marx, ist das. Ich will Ihnen mal sagen, was Gerechtigkeit ist. Gerechtigkeit ist ein Knie von unten in den Leib ein Schlag aufs Kinn ein tückischer Messerstich in den Rücken im Dunkel der Nacht ein Sandsack hinterrücks auf den Kopf ohne vorherige Warnung. Die Garotte. Das ist Gerechtigkeit. Damit wir hart und brutal genug werden, um es mit Billy Petrolle aufnehmen zu können. Ohne vorherige Warnung. Klar?«
    »Nein, Sir.«
    »Sagen Sie gefälligst nicht Sir zu mir.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und sagen Sie Sir, wenn Sie nicht Sir sagen«, befahl Major Metcalf. Clevinger war selbstverständlich schuldig, sonst wäre er nicht beschuldigt worden, und da man das nur beweisen konnte, indem man ihn schuldig sprach, war es eine patriotische Pflicht, das zu tun. Er wurde dazu verurteilt, siebenundfünfzig Strafmärsche zu machen. Popinjay wurde eingesperrt, damit er seine Lektion lerne, und Major Metcalf wurde auf die Solomon-Inseln versetzt, um dort Leichen zu bestatten. Die Strafe für Clevinger bestand darin, daß er jedes Wochenende fünfzig Minuten vor dem Gebäude des Gerichtsoffiziers mit der schweren ungeladenen Flinte auf der Schulter hin- und hergehen mußte.
    Das alles war für Clevinger sehr verwirrend. Es ereigneten sich viele merkwürdige Dinge, für Clevinger aber war das Merkwürdigste der Haß, der brutale, nackte, unstillbare Haß der Mitglieder des Disziplinarausschusses, der ihre unversöhnlichen Mienen mit einer harten Schicht aus Rachsucht überzog und bösartig wie ein unlöschbares Feuer in ihren zusammengekniffenen Augen schwelte. Diese Entdeckung versetzte Clevinger einen Schock.
    Hätten sie es vermocht, sie hätten ihn gelyncht. Sie waren drei erwachsene Männer, er aber war ein Junge, und sie haßten ihn und wünschten seinen Tod. Sie hatten ihn gehaßt, ehe er kam, haßten ihn, während er dort war, haßten ihn, nachdem er wieder fort war und trugen ihren Haß gegen ihn wie einen sorgsam gehüteten Schatz mit sich, nachdem sie sich getrennt hatten und jeder seiner Wege ging.
    Yossarián hatte ihn am Abend zuvor nach Kräften gewarnt. »Du hast keine Chance, Junge«, hatte er ihm düster gesagt. »Sie hassen alle Juden.«
    »Aber ich bin doch kein Jude«, erwiderte Clevinger.
    »Das macht keinen Unterschied«, versprach Yossarián, und Yossarián hatte recht. »Sie haben es auf uns alle abgesehen.«
    Clevinger wich vor diesem Haß wie vor einem blendenden Licht zurück. Diese drei Männer, die ihn haßten, sprachen seine Sprache und trugen seine Uniform, doch er sah ihre liebeleeren Gesichter zu zerfurchten Masken unveränderlicher, niedriger Feindschaft erstarren und begriff plötzlich, daß es nirgends in der Welt, nicht in den Tanks, den Flugzeugen und den U-Booten der Faschisten, nicht hinter Maschinengewehren in Bunkern, hinter Geschützen und Flammenwerfern, nicht unter den Richtschützen der Division Hermann Göring und nicht unter den brutalen Verschwörern sämtlicher Bierkeller Münchens Männer gab, die ihn mehr haßten als diese drei.

Major Major Major Major
    Major Major hatte es von Anfang an schwer gehabt.
    Ebenso wie Miniver Cheevy war er zu spät geboren worden, — genau sechsunddreißig Stunden zu spät für das Wohlbefinden seiner Mutter, einer sanften, kränkelnden Frau, die in den sechsunddreißig Stunden währenden, qualvollen Wehen den Rest ihrer Kraft einbüßte und nicht mehr imstande war, den Streit über den Namen des erwarteten Kindes fortzusetzen. Der Ehemann handelte derweil im Korridor des Krankenhauses mit der gesammelten Entschlossenheit eines Menschen, der weiß, was er tut. Major Majors Vater war ein sehr großer, hagerer Mann, der in schweren Stiefeln und einem schwarzen, wollenen Anzug steckte. Er füllte das Formular für die Anzeige der Geburt aus, ohne zu zögern und ließ sich auch nichts anmerken, als er der Krankenschwester den ausgefüllten Schein übergab. Die Schwester nahm den Schein ohne Kommentar entgegen und watschelte davon. Er sah ihr nach und überlegte, was sie wohl unter der Tracht anhaben mochte. Im Krankensaale fand er dann seine Frau zerstört zwischen den Laken. Sie war verschrumpelt, ausgedörrt und weißlich wie eine alte Pflanze, und ihr geschwächtes Gewebe zuckte nicht einmal mehr. Ihr

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