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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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Bett stand ganz am Ende des Krankensaales, nahe einem gesprungenen, stark verschmutzten Fenster. Regen entströmte einem aufgestörten Himmel, der Tag war trübe und kalt. Anderswo im Krankenhaus starben kalkweiße Patienten mit blauen, gealterten Lippen auf Abzahlung. Der Vater stand hoch aufgerichtet neben dem Bett und starrte lange auf die Frau hinunter.
    »Ich habe«, verkündete er ihr schließlich leise, »den Jungen Caleb genannt, wie du es gewünscht hast.« Die Frau antwortete nicht, und der Mann lächelte. Er hatte alles genau geplant. Seine Frau schlief und würde niemals erfahren, daß er sie belegen hatte, als sie in der Armenabteilung des öffentlichen Hospitals auf dem Krankenbett gelegen hatte.
    Aus solchen kläglichen Anfängen war der Staffelkapitän erwachsen, der jetzt den größten Teil seiner Arbeitstage in Pianosa darauf verwandte, Washington Irvings Namen auf amtliche Dokumente zu setzen. Major Major fälschte fleißig mit der linken Hand, um eine Identifizierung zu vermeiden. Seine eigene, ihm unwillkommene Autorität schützte ihn dabei vor Störungen, ein falscher Bart und dunkle Gläser dienten als weitere Sicherungen gegen Entlarvung von Seiten eines Dritten, der zufällig des Weges kommen und durch das altmodische Zelluloidfenster spähen mochte, von dem ein Dieb sich einen Streifen Zelluloid abgeschnitten hatte. Zwischen den Tiefpunkten seiner Geburt und seines Erfolges lagen einunddreißig trostlose Jahre der Einsamkeit und Vergeblichkeit.
    Major Major war zu spät und zu unbedeutend geboren worden.
    Manche Männer werden unbedeutend geboren, manche Männer erkämpfen sich die Bedeutungslosigkeit, und wieder anderen wird die Bedeutungslosigkeit aufgezwungen. In Major Majors Fall trafen alle drei zu. Selbst zwischen Männern, die sich durch nichts auszeichneten, zeichnete er sich unvermeidlich als ein Mann aus, der sich noch weniger auszeichnete als die übrigen, und wer ihn kennen lernte, war stets sehr davon beeindruckt, wie wenig beeindruckend er war.
    Major Major hatte sich vom ersten Tage an dreier Malheurs zu erwehren: seiner Mutter, seines Vaters und Henry Fondas, dem er fast vom Augenblick seiner Geburt an auf kränkliche Weise ähnelte. Längst, ehe er auch nur ahnte, wer Henry Fonda sei, fand er sich, wohin auch immer er ging, zum Gegenstand wenig schmeichelhafter Vergleiche gemacht. Völlig fremde Menschen hielten es für passend, ihn herabzusetzen, und das hatte zur Folge, daß er schon früh eine schuldbewußte Angst vor seinen Mitmenschen entwickelte und dazu den Drang, sich unterwürfig bei der Gesellschaft dafür zu entschuldigen, daß er nicht Henry Fonda war. Es war keine leichte Sache für ihn, durchs Leben zu gehen und Henry Fonda zu ähneln, doch kam ihm nie der Gedanke, aufzugeben, denn er hatte die Beharrlichkeit seines Vaters geerbt, eines langen dünnen Menschen, der einen stark ausgeprägten Sinn für Humor besaß.
    Major Majors Vater war ein nüchterner, gottesfürchtiger Mann, der es für witzig hielt, falsche Angaben über sein Alter zu machen. Er war ein langknochiger Farmer, ein gottesfürchtiger, gesetzestreuer, ungeschliffener Individualist, der die Ansicht vertrat, staatliche Zuwendungen an andere Wirtschaftszweige als die Landwirtschaft seien nichts weiter als schleichender Sozialismus. Er empfahl Sparsamkeit und harte Arbeit und hatte was gegen lockere Frauenzimmer, die ihm einen Korb gaben. Seine Spezialität war Luzerne, und er verdiente ein hübsches Vermögen damit, keine anzubauen. Der Staat zahlte ihm schweres Geld für jede Menge Luzerne, die er nicht anbaute. Je mehr Luzerne er nicht anbaute, um so mehr Geld gab ihm der Staat, und er wandte jeden Pfennig, den er nicht verdiente, daran, mehr Land zu kaufen um noch mehr Luzerne nicht anzubauen. Major Majors Vater war unermüdlich damit beschäftigt, keine Luzerne anzubauen. An langen Winterabenden saß er daheim und flickte nicht das Geschirr der Pferde, und täglich sprang er beim ersten Strahl der Mittagssonne aus dem Bett, um sich davon zu überzeugen, daß die Feldarbeit nicht getan wurde. Er investierte sein Geld umsichtig in Land und bald schon baute er mehr Luzerne nicht an als irgendein anderer Farmer in der Gegend. Die Nachbarn kamen in allen möglichen Angelegenheiten zu ihm um Rat, denn er war reich geworden und mithin auch weise. »Wie ihr säet, so sollet ihr ernten«, riet er einem jeden und alle sagten »Amen«.
    Major Majors Vater verlangte von der Regierung äußerste

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