Catch 22
runzligen Finger. Einen oder zwei Tage nach Einnahme der Stadt kam er dann mit Mietsverträgen für zwei geräumige Wohnungen zurück, eine für die Offiziere, eine für die Mannschaften, beide bereits mit einem Stab von tüchtigen, freundlichen Köchinnen und Dienstmädchen versehen. Wieder einige Tage später konnte man in allen Zeitungen Bilder der ersten amerikanischen Soldaten sehen, die sich durch Trümmer und Rauch ihren Weg in die zerstörte Stadt erkämpften. Stets war auf den Bildern auch Major — de Coverley zu sehen, wie er hoch aufgerichtet in einem Jeep saß, den er sich irgendwo besorgt hatte, und mit keiner Wimper zuckte, während Granaten rechts und links von seinem unbesieglichen Haupt explodierten und geschmeidige junge Infanteristen mit Karabinern im Schutz der Mauern vorgingen oder tödlich getroffen in Hauseingängen zusammenbrachen. Er wirkte unzerstörbar, wenn er so dasaß, von Gefahren umringt, die Züge zu jenem ehernen, grimmigen, königlichen, gerechten, abweisenden Antlitz erstarrt, das jeder in der Staffel kannte und verehrte.
Der deutschen Abwehr war Major — de Coverley ein ärgerliches Rätsel. Keiner der vielen amerikanischen Gefangenen gab je eine brauchbare Auskunft über den ältlichen weißhaarigen Offizier mit der verwitterten, furchtgebietenden Stirn und den mächtig blitzenden Augen, der so kühn und erfolgreich jede Eroberung anzuführen schien. Den amerikanischen Militärbehörden war er ein ebensolches Rätsel; ein ganzes Regiment von CID-Elitemenschen war an die Front geworfen worden, um festzustellen, wer er sei, während ein Bataillon kampferprobter Propagandaoffiziere täglich vierundzwanzig Stunden in höchster Alarmbereitschaft stand, um sofort nach seiner Identifizierung Material über, ihn zu veröffentlichen.
Bei der Wahl der Wohnungen in Rom hatte Major — de Coverley sich selbst übertroffen. Die Offiziere, die in Gruppen zu vieren oder fünfen einzutreffen pflegten, fanden in einem neuen, aus weißem Stein erbauten Gebäude für jeden ein riesiges Doppelzimmer vor, dazu drei geräumige, schimmernd grün gekachelte Badezimmer und eine knochige Magd namens Michaela, die bei jeder Gelegenheit kicherte und die Wohnung penibel im Stande hielt. Ein Stockwerk tiefer wohnten die bekümmerten Eigentümer. Im Stockwerk darüber wohnten die schöne, reiche, schwarzhaarige Gräfin und ihre schöne, reiche, schwarzhaarige Schwiegertochter, die es beide nur für Nately tun wollten, der zu schüchtern war, um Gebrauch davon zu machen, und für Aarfy, der dafür zu hochnäsig war und ihnen einzureden versuchte, sie sollten es überhaupt nur für ihre Ehemänner tun, die es vorgezogen hatten, bei ihren Unternehmungen im Norden zu bleiben.
»In Wirklichkeit sind es ordentliche Mädchen«, vertraute Aarfy gewichtig Yossarián an, der immer wieder davon träumte, die milchweißen Leiber dieser herrlichen, reichen, schwarzhaarigen, ordentlichen Mädchen in den Armen zu halten, während sie neben ihm erotisch hingestreckt im Bett lagen.
Die Mannschaften stürzten sich in Banden von einem Dutzend oder mehr auf Rom, brachten gargantuanischen Appetit und Kisten voller Nahrungsmittel mit, die ihnen in ihrem eigenen Speisezimmer im fünften Stock eines roten Backsteinhauses serviert wurden, das sogar einen Aufzug hatte. In der Wohnung der Mannschaften ging es stets lebhafter zu. Zunächst einmal waren dort mehr Männer und auch mehr Frauen zu deren Bedienung, und dann trieben sich da die lustigen, schwachköpfigen, sinnlichen jungen Mädchen herum, die Yossarián aufgegabelt und mitgebracht hatte, dazu jene anderen, die von den nach ihren erschöpfenden, sieben Tage währenden Gelagen schläfrig nach Pianosa zurückkehrenden Mannschaften eingeschleppt und denjenigen unter ihren Nachfolgern hinterlassen wurden, die Appetit auf sie haben mochten. Die Mädchen durften bei freier Station bleiben, solange sie wollten. Alles, was sie dafür zu tun hatten, war, sich für jeden auf den Rücken zu legen, der sie dazu aufforderte, und somit fühlten sie sich im siebenten Himmel.
Hatte Hungry Joe das Pech, wieder einmal seine Feindflüge hinter sich zu haben und die Kuriermaschine zu fliegen, so erschien er etwa jeden vierten Tag, heiser, lärmend und außer sich, das Bild eines gefolterten Mannes. Meistens schlief er in der Wohnung der Mannschaften. Genau wußte niemand, wie viele Zimmer Major — de Coverley gemietet hatte, nicht einmal die dicke, korsettierte Frau im ersten Stock, der er
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