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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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zum Leutnant zu degradieren.
    »Man wird Ihnen das wahrscheinlich verwehren«, bemerkte Colonel Korn, der die Lage genoß, herablassend lächelnd. »Und das mit der gleichen Begründung, mit der man Ihnen verboten hat, Major Major zu befördern. Überdies stünden Sie reichlich blöde da, wenn Sie versuchen wollten, ihn zum Leutnant zu degradieren, nachdem Sie gerade versucht haben, ihn zu meinem Dienstgrad befördern zu lassen.« Colonel Cathcart fühlte sich auf allen Seiten beengt. Als er Yossarián nach dem Malheur von Ferrara für eine Auszeichnung vorgeschlagen hatte, war ihm das viel besser geglückt. Sieben Tage waren vergangen, seit Colonel Cathcart seine Besatzungen freiwillig zur Zerstörung der Brücke über dem Po angeboten hatte, und noch immer stand die Brücke unversehrt. Seine Leute hatten dort innerhalb von sechs Tagen neun Angriffe geflogen, und die Brücke wurde erst am siebenten Tage beim zehnten Angriff zerstört, als Yossarián Kraft und dessen Besatzung in den Tod schickte, indem er seine Formation von sechs Maschinen ein zweites Mal auf das Ziel ansetzte.
    Yossarián führte diesen zweiten Anflug mit großer Gewissenhaftigkeit, denn da war er tapfer. Er nahm den Kopf erst vom Zielgerät, als die Bomben gefallen waren; als er aufblickte, war die ganze Maschine in ein gespenstisches, orangefarbenes Glühen getaucht. Zunächst glaubte er, der Bomber brenne. Dann erblickte er das Flugzeug mit dem brennenden Motor unmittelbar über sich und schrie McWatt über die Bordverständigung zu, scharf nach links abzudrehen. Eine Sekunde darauf brach die Tragfläche von Krafts Maschine ab. Das flammende Wrack stürzte mit dem Rumpf voran, dann trudelte die Tragfläche hinterher, und ein Schauer winziger Metallteilchen prasselte auf Yossariáns Maschine herunter, während rund herum unaufhörlich das Katschung! Katschung! Katschung! der krepierenden Flakgranaten zu hören war.
    Als er nach der Landung benommen und niedergeschlagen auf Captain Black zuging, um Meldung zu machen, sah er alle Augen düster auf sich gerichtet und erfuhr, daß Colonel Cathcart und Colonel Korn im Instruktionsraum auf ihn warteten. Major Danby stellte sich aschfahl vor die Tür und winkte alle anderen wortlos weg. Yossarián fühlte sich bleischwer vor Müdigkeit und sehnte sich danach, seine verschwitzte Kleidung loszuwerden. Er betrat mit gemischten Gefühlen den Instruktionsraum, ungewiß, welche Empfindungen er Kraft und den anderen entgegenbringen sollte, denn sie alle waren ihm durch eine stumme, abgesonderte Agonie entrückt, in der sie gestorben waren, während er selbst bis zum Hals in der nichtswürdigen, qualvollen Klemme zwischen Gehorsam und Verdammung saß.
    Colonel Cathcart war seinerseits von dem Ereignis völlig verstört. »Zweimal?« fragte er.
    »Ich hätte das Ziel beim ersten Mal verfehlt«, erwiderte Yossarián leise und mit gesenktem Gesicht.
    Die Stimmen weckten in der langen, niedrigen Baracke ein schwaches Echo.
    »Aber zweimal?« wiederholte Colonel Cathcart völlig konsterniert.
    »Ich hätte das Ziel beim ersten Mal verfehlt«, wiederholte Yossarián.
    »Aber Kraft wäre noch am Leben.«
    »Und die Brücke stünde noch.«
    »Ein erprobter Bombenschütze hat seine Bomben beim ersten Anflug zu werfen«, erinnerte ihn Colonel Cathcart. »Die anderen fünf Bombenschützen haben ihre Bomben beim ersten Anflug geworfen.«
    »Und das Ziel verfehlt«, sagte Yossarián. »Wir hätten noch einmal fliegen müssen.«
    »Vielleicht hätten Sie aber beim ersten Mal getroffen.«
    »Und vielleicht hätte ich überhaupt nichts getroffen.«
    »Vielleicht hätten wir dann aber keine Verluste gehabt.«
    »Vielleicht hätte es aber auch mehr Verluste gegeben, wenn die Brücke stehen geblieben wäre. Ich war der Meinung, Sie hätten die Zerstörung der Brücke befohlen.«
    »Widersprechen Sie mir nicht«, sagte Colonel Cathcart. »Wir sitzen allesamt in der Tinte.«
    »Ich widerspreche nicht, Sir.«
    »Doch tun Sie das. Gerade eben haben Sie es wieder getan.«
    »Jawohl, Sir. Ich bitte um Entschuldigung.«
    Colonel Cathcart ließ die Knöchel knacken. Colonel Korn, ein untersetzter, dunkelhaariger, schlaffer Mensch mit unförmigem Leib, saß seelenruhig auf einer der vorderen Bänke, die Hände lässig auf dem kahlen, schwärzlichen Schädel gefaltet. Hinter den glitzernden, randlosen Gläsern blickten seine Augen belustigt drein.
    »Wir wollen diesen Vorfall so objektiv wie möglich beurteilen«, gab er Colonel Cathcart

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