Cathérine de Montsalvy
kamen zwei alte Dienerinnen herein, so häßlich und verhutzelt, daß sie Cathérine an die alte Phuri Daï erinnerten. Ihre Wunden wurden gewaschen, mit Heilsalbe bestrichen und verbunden, ohne daß die beiden Alten ein Wort geäußert hätten. Sie sahen sich außerordentlich ähnlich und gemahnten in ihren schwarzen Kleidern an Grabstatuen, aber ihre Hände erwiesen sich als ungemein gewandt und geschmeidig. Als sie fertig waren, fühlte Cathérine sich schon besser. Sie dankte ihnen, worauf sich beide wortlos verneigten und sich reglos wie Baumstümpfe am Fußende des Bettes niederließen. Gleich darauf klatschte eine der beiden in die Hände. Diener erschienen mit einer Art Trage, auf die Cathérine von den beiden Alten gebettet wurde, nachdem sie ihr das Hemd und ihren dalmatinischen Umhang übergestreift hatten.
Der Zug wand sich die schmale Treppe des Schloßturms zum oberen Stockwerk hinauf, an dessen Eingang zwei Fackelträger warteten. Der eine von ihnen beugte sich vor, als die Trage an ihm vorüberkam, und Cathérine unterdrückte einen Ausruf der Überraschung. In der Livree mit den kleinen azurnen Adlern La Trémoilles erkannte sie, bärtig und langhaarig, Tristan l'Hermite in Person!
Sie versuchte sich nicht einmal zu erklären, wie er da hingekommen war. Eine wahre Flut der Erleichterung überspülte sie, und sie ließ sich mit geschlossenen Augen in ihr neues Gefängnis tragen.
Neuntes Kapitel
Die Art, wie man sie unterbrachte, gab Cathérine eine ungefähre Vorstellung von dem Wert, den der Großkämmerer ihrer Person beimaß. In eins der Türmchen gebracht, die den großen Schloßturm flankierten, sah sie zunächst nur ein riesiges, mit Vorhängen aus roter Serge versehenes Bett, das den größten Teil des kleinen Raums einnahm, der durch ein schmales Fenster Licht bekam. Cathérine wurde äußerst vorsichtig auf die weichen Matratzen gelegt und sodann in der Obhut der beiden Alten gelassen, was ihr keineswegs Vergnügen bereitete. Immer war eine von ihnen im Zimmer, zu Füßen des Bettes kauernd, unbeweglich und stumm wie ein Stein.
Bald entdeckte die junge Frau auch den Grund ihrer Schweigsamkeit. Die beiden Frauen, offensichtlich Zwillinge, waren stumm. Man hatte ihnen vor langer Zeit die Zunge herausgeschnitten, um sie ein für allemal ihrer Verschwiegenheit zu versichern. Sie waren griechischer Herkunft, wie La Trémoille Cathérine berichtete, ohne sich jedoch darüber auszulassen, auf welchen dunklen Wegen diese Frauen vom Sklavenmarkt Alexandriens an den Hof Karls VII. gekommen waren. Der Großkämmerer hatte sie beim Schachspiel vor vielen Jahren vom Prinzen von Oranien gewonnen. Seitdem dienten Chryssoula und Nitsa ihm treu und folgten ihm selbst auf den verwickeltsten Pfaden seines Lebens. Sie waren immer die Wächterinnen der Frauen, die La Trémoille zu sich nahm oder sich reservierte. Sie ähnelten sich derart, daß Cathérine sie nach fünf Tagen immer noch nicht auseinanderzuhalten vermochte.
Die unablässige Anwesenheit dieser Frauen wurde ihr lästig. Sie hätte diesen schweigenden Schatten mit ihren verschlossenen Gesichtern, in denen nur die Augen Leben zeigten, hundertmal völlige Einsamkeit vorgezogen. Außerdem fühlte sich Cathérine unbehaglich, wenn sich der Blick ihrer jeweiligen Wächterin auf sie richtete, und die Freude, die sie beim Anblick Tristans im Plunderstaat eines Lakaien empfunden hatte, war längst gewichen. Sie hatte gehofft, daß er in den folgenden Stunden zu ihr kommen würde, aber abgesehen von La Trémoille hatte kein Mann die Schwelle ihrer winzigen Kammer überschritten. Einzig die beiden alten Griechinnen schienen die Erlaubnis dazu zu haben.
Die zweimal täglichen Besuche des Großkämmerers waren für die junge Frau ebenso lästig. Er war zu ihr von einer Liebenswürdigkeit, die sie um so mehr anekelte, als sie gezwungen war, mit gleicher Liebenswürdigkeit zu antworten, höchstens noch demütiger, wie es einem armen Vagabundenmädchen zustand. Sie zwang sich, im Bett liegenzubleiben und sich viel schwächer und kränker zu geben, als sie in Wirklichkeit war, weil sie Angst hatte, daß er sie daran erinnern könnte, »zärtlich« zu ihm zu sein. Die bloße Vorstellung eines intimen Kontakts mit diesem Fettkloß verursachte ihr Übelkeit. Sie wollte sein Verderben, sie wollte mit aller Macht ihres Hasses Arnaud, die ihren und sich selbst an diesem Tyrannen ohne Größe rächen, der sie ins Elend gebracht hatte und das Königreich nach seinem
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