Cathérine de Montsalvy
schrie vor Schmerz … Mit geweiteten Augen sah Cathérine, wie Gaucourt die Bettdecke herunterriß, sie über die Flammen warf und die Gräfin fest in sie hüllte. Langsam bückte sie sich und hob den Dolch auf, der der anderen entglitten war. Ihre Beine zitterten, nun da alles vorüber war. Pierre de Brézé mußte ihr aufhelfen, sonst wäre sie in die Knie gesunken. Unter der Decke waren die Schreie zu Klagen geworden. Die Verletzte winselte wie ein krankes Tier. Cathérine hob ihren leeren Blick zu Gaucourt.
»Ich verlasse Euch jetzt. Was wollt Ihr mit ihr machen?« fragte sie.
Er bückte sich, lud sich das wimmernde Bündel auf die Schulter und sah Cathérine dann gerade ins Gesicht:
»Das müßt Ihr entscheiden! Es stimmt, dieses Recht stand Euch zu. Brézé hat mir gesagt … Ich wollte sie zu ihrem Mann schicken, aber ich werde sie im tiefsten Verlies für immer verschwinden lassen, wenn das Euer Wunsch ist. Das ist alles, was sie verdient!«
Die junge Frau schüttelte den Kopf, plötzlich ausgepumpt und kraftlos.
»Nein, laßt sie leben … Laßt beide leben, wie sie jetzt sind, da Gott sein Richterwort gesprochen und nicht gewollt hat, daß sie durch unsere Hand sterben! Sie sollen zusammen leben, einer mit dem anderen, mit der Pest ihrer Seelen und dem Grauen darüber, was aus ihnen geworden ist. Sie ist entstellt … er bewegungsunfähig durch sein Fett, vielfach verwundet. Vielleicht wird er nicht mehr genesen … Laßt sie sich selbst ihre Hölle bauen! Die Welt mag sie vergessen. Ich bin gerächt!«
Ihre angespannten Nerven ließen plötzlich nach. Sie packte den Arm Brézés, klammerte sich an ihn und bat:
»Führt mich fort, Pierre! Führt mich von hier fort!«
»Wollt Ihr zu den anderen nach Montrésor?« fragte er sanft.
Sie machte ein verneinendes Zeichen.
»Ich möchte sie nicht mehr sehen! Beendet Eure Aufgabe ohne mich. Die meine ist getan … Ich kehre in die Herberge zurück.«
Doch in dem Augenblick, in dem sie das verwüstete Zimmer verlassen wollte, bemerkte sie auf den Fliesen des Bodens den schwärzen, unheilvoll funkelnden Diamanten Garins. Sie streckte die Hand aus und ergriff ihn. Der verfluchte Stein schmiegte sich wie ein Haustier in ihre Handfläche.
»Er gehört mir!« murmelte sie. »Ich nehme ihn zurück …«
Brézés Arm schlang sich um ihre fröstelnden Schultern und drückte sie sanft an sich.
»Es heißt, daß dieses wunderbare Juwel verflucht sei und Unglück bringe. Ihr habt nichts damit zu tun, Cathérine.«
Sie blickte einen Augenblick auf den unheilvollen Stein, der dunkel blitzend auf ihrer Hand lag.
»Es ist wahr«, sagte sie ernst. »Dieser Stein bringt Tod und Unglück. Doch die, der ich ihn anbieten werde, hat die Macht, das Unglück abzuwenden und den Tod zum Rückzug zu zwingen …«
Von dem jungen Mann gestützt, verließ Cathérine den Schloßturm von Coudray. Auf dem Hof blieb sie stehen, hob die Augen zum Firmament empor. Die Sterne waren erloschen. Nur einer war geblieben, ein außergewöhnlich funkelnder, und im Osten zeichnete sich ein schmaler, hellerer Streifen ab. Die Frische der Morgendämmerung machte sich bemerkbar. Pierre legte Cathérine mit zärtlicher Fürsorge einen Mantel um.
»Kommt!« bat er sie. »Ihr werdet Euch noch erkälten.«
Aber sie rührte sich nicht, hielt ihn im Gegenteil zurück, ohne die Augen vom Firmament zu wenden.
»Gleich wird der Tag geboren«, murmelte sie, »ein neuer Tag! Für mich ist alles beendet, die Seite ist umgeschlagen!«
»Alles kann wieder neu beginnen, Cathérine«, flüsterte er inbrünstig. »Dieser Tag könnte der erste eines neuen Lebens sein, voller Freude und Sonne, wenn Ihr nur wollt! Cathérine, sagt mir …«
Sanft, aber fest verschloß sie ihm mit der Hand den Mund, lächelte traurig in das schöne, bangende Gesicht, das sich ihr zuneigte.
»Nein, Pierre, sprecht nicht weiter … Ich bin müde, sterbensmüde. Bringt mich nur zurück, ohne zu sprechen.«
Mit kleinen Schritten, aneinandergedrückt wie zwei Liebende, stiegen sie wieder in die schlafende Stadt hinunter.
Zwölftes Kapitel
Nachdem Cathérine die hohe Pforte mit den eisenbeschlagenen Flügeltüren durchschritten hatte, sah sie den riesigen Hof des Schlosses von Chinon vor sich. Schottische Bogenschützen, in zwei Reihen angetreten, bildeten Spalier, unbeweglich wie Statuen, nur die Reiherfedern ihrer Mützen bewegten sich leise im Abendwind. Auf der achtzehnstufigen Freitreppe, die zum Großen Saal
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