Cathérine de Montsalvy
vergessen, die sich in der schmalen Zelle des klösterlichen Gästehauses zum Sterben legte. Nur bei dem Gedanken an die Trennung von Michel hatte sie gelitten. Er war der Grund für ihr ganzes Bedenken gewesen, für alles, was sie hätte zurückhalten können. An die alte Frau hatte sie nicht gedacht. Jetzt schämte sie sich dessen, aber hinter den Vorwürfen, die ihr Gewissen ihr machte, hörte sie dennoch ihre Liebe protestieren. Niemand zählte, wenn es sich um Arnaud handelte.
Trotzdem gab sie sich ohne Zögern geschlagen.
»Nein!« sagte sie nur. Aber sie wandte sich um, in Saras Armen Trost suchend, die sie zärtlich an sich drückte. Mit einem Seufzer fügte sie hinzu: »Ich werde bleiben.«
Darauf erhob sich die rauhe Stimme Gauthiers.
»Ihr müßt hierbleiben, Dame Cathérine, der Sterbenden und Eures Kindes wegen. Aber ich bin frei, wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt zu gehen! Ich kann Messire Arnaud nachreiten! Wer sollte mich daran hindern?« Mit einer heftigen Bewegung wandte er sich an den Abt, den er um einen Kopf überragte: »Gebt mir ein Pferd und ein Beil, Mann Gottes! Vor den großen Landstraßen und den langen Ritten ist mir nicht bang!«
Cathérine, die dieser Ausbruch wieder belebt hatte, warf dem Normannen einen von Dank überfließenden Blick zu.
»Das ist wahr … Du bist ja da! Du wirst ihm sagen können, daß ich ihn niemals verraten habe, aber er wird nicht einwilligen, zu mir zurückzukehren, das weißt du sehr gut! Niemand hat je seinen Willen beugen können!«
»Ich werde tun, was ich kann. Zumindest wird die Pflicht für Euch den bitteren Geschmack verlieren, den Ihr jetzt empfindet. Wenn Messire Arnaud gesundet, werde ich ihn zurückbringen, wenn nötig mit Gewalt. Wenn nicht … komme ich allein zu Euch zurück! Laßt Ihr mich gehen?«
»Wie könnte ich es dir verweigern? Du bist meine einzige Chance.«
»Also gehen wir!« rief Gauthier, der wie alle Männer der Tat nicht gern viele Worte machte. »Wir haben so schon genug Zeit verloren! Laßt mir die Stadttore öffnen – und aufs Pferd! Bei Odin, ich werde ihn schon zu finden wissen, selbst wenn ich ihm bis zu Mohammed nachreiten müßte!«
»Dies ist das Haus Gottes!« empörte sich der Abt. »Götzen haben hier nichts zu suchen! Kommt mit mir, Cathérine, meine Tochter … Bitten wir Unsere Liebe Frau im Himmel, über diesen Wilden zu wachen, der sie nicht einmal kennt! Und dann werden wir ihn zusammen gehen lassen … Ich werde Euch helfen!«
Eine Stunde später stand Cathérine zwischen Sara und Saturnin unter dem Südtor von Montsalvy und lauschte dem in Richtung des tiefen Tals des Lot verhallenden Hufgeklapper des Pferdes nach, das Gauthier im Galopp davontrug. Mit etwas Mundvorrat versehen, in festen Kleidern und mit einer vollen Börse ausgerüstet, im Sattel eines kräftigen Percheronpferdes, das durch Kraft wettmachte, was ihm an Rasse fehlte, stürzte sich der Normanne auf die Fährte Arnauds und Fortunats.
Als die Huf schlage sich in der Tiefe der von Sternen übersäten Nacht verloren hatten, hüllte Cathérine sich noch enger in den dunklen Mantel, in den sie sich gewickelt hatte, suchte am Firmament die weiße Spur der Milchstraße, die man auch die Straße San Jagos nannte, und seufzte.
»Wird es ihm gelingen, ihn zu finden? Diese südlichen Bereiche werden ihm so fremd sein wie das Land des Großen Khan.«
»Der Herr Abt hat ihm gesagt, er müsse der von Muscheln gezeichneten Straße folgen. Er hat ihm die Namen der ersten Wegstationen eingetrichtert, da er sie ihm ja nicht aufschreiben konnte«, sagte Saturnin. »Ihr müßt Vertrauen haben, Dame Cathérine! Wenn er auch nicht an sie glaubt, weiß ich doch, daß die Heilige Jungfrau über Gauthier wachen wird! … Sie verläßt diejenigen nie, die ihre Großmut auf die großen Landstraßen treibt!«
»Er hat recht!« meinte Sara zustimmend, Cathérines Arm nehmend. »Gauthier hat Kraft, Intelligenz und Verschlagenheit auf seiner Seite. Er hat in sich die Fähigkeit, Berge zu versetzen. Komm jetzt, kehren wir wieder zurück! Dame Isabelle braucht uns, und wenn du deinen Sohn umarmst, wirst du den Mut finden, dich weiter der Aufgabe zu widmen, die deiner wartet.«
Cathérine antwortete nicht.
Sie unterdrückte den Seufzer des Bedauerns, der ihr auf den Lippen lag, und stieg still wieder zur Abtei hinauf. Aber sie wußte genau, daß sie sich nur der Vernunft gebeugt hatte und daß der Wunsch, gleichfalls der Spur Arnauds zu folgen, sie nicht so
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