Cathérine und die Zeit der Liebe
promenierte die dicke Äthiopierin auf den Wegen rings um das rosenfarbene Springbrunnenbecken in der Mitte des Gartens.
Neben ihr erkannte Cathérine die Alte von neulich, obgleich der Brokat, in den sie diesmal verpackt war, gedämpft malvenfarben und mit großen grünen Blumen bestickt war.
Als Fatima Cathérine bemerkte, die, noch keuchend vom schnellen Lauf, am Gartenrand stehengeblieben war, begriff sie, daß etwas vorgefallen sein müsse, entschuldigte sich bei ihrer Besucherin und ging eiligst zu der jungen Frau hinüber.
»Was ist? Was ist passiert? Wo sind deine Wärterinnen?«
»Sie folgen mir. Ich bin gekommen, mich von dir zu verabschieden, Fatima, und dir Dank zu sagen. Ich muß zu meinem … Herrn zurückkehren!«
»Er ist noch nicht gekommen, um dich zu holen, soviel ich weiß. Hast du ihn denn getroffen?« fragte die Negerin in zweifelndem Ton.
»Nein. Aber ich muß schnellstens in sein Haus zurückkehren …«
»Du hast es aber eilig! Übrigens ist Abu, der Arzt, nicht zu Hause. Er ist in den Alkazar Genil gerufen worden. Die Sultanin hat sich beim Baden verletzt.«
»Gut … Dann wird er mich eben bei seiner Rückkehr vorfinden. Es wird eine angenehme Überraschung für ihn sein …«
»Und wird die Nacht, die dich erwartet, auch für dich eine angenehme Überraschung sein?« Die großen weißen Augen der Negerin forschten im unsicheren Blick Catherines, glitten prüfend über ihr Gesicht, in das Röte stieg.
»Etwas früher, etwas später …«, murmelte die junge Frau mit einer ausweichenden Handbewegung.
»Ich dachte«, sagte Fatima langsam, »du wünschtest mehr als alles andere, in die Alhambra zu gelangen?«
Bei diesem Namen setzte Catherines Herz einen Schlag aus, aber sie zwang sich, unbefangen zu erscheinen.
»Was nützt es, zu träumen? Wer kann sich schon rühmen, seine Träume zu verwirklichen?«
»Gehorche mir, und diesen Traum zumindest wirst du verwirklichen, und zwar sofort. Komm mit.«
Sie packte Cathérine am Handgelenk und wollte sie mitziehen, doch diese, von plötzlichem Mißtrauen ergriffen, widersetzte sich.
»Wohin führst du mich?«
»Zu der Frau, die du dort am Brunnen siehst … und in die Alhambra, wenn du es noch willst. Diese Alte ist Morayma. Jeder kennt sie hier und bemüht sich um sie, weil sie dem Harem des Herrn vorsteht. Neulich schon hatte sie dich bemerkt und ist deinetwegen wiedergekommen. Folge ihr, und statt dem kleinen Arzt wirst du dem Kalifen gehören …«
»Dem Kalifen?« fragte Cathérine tonlos. »Du schlägst mir vor, in den Harem einzutreten?«
Rein gefühlsmäßig wollte sie den Vorschlag mit Abscheu zurückweisen, aber eine Bemerkung Abu al-Khayrs fiel ihr wieder ein: »Die Gemächer Zobeidas bilden einen Teil des Harems«, und eine weitere: »Im Garten Zobeidas, in einem abgesonderten Pavillon, lebt Messire Arnaud …« In den Harem eintreten bedeutete, Arnaud nahe zu sein. Eine bessere Gelegenheit konnte sie sich gar nicht wünschen. Tapfer verschloß sie sich der Stimme der Furcht: Wenn sie sich dem Gefangenen Zobeidas nur näherte, wenn sie wagte, ihn anzusprechen, würde sie den mongolischen Henkern der Prinzessin ausgeliefert werden. Wie viele Male schon hatte sie Folterung und Tod herausgefordert! Die Henker von Granada konnten nicht schlimmer sein als die von Amboise. Und dann: Wenn sie von Arnaud wieder anerkannt wäre, könnten sie zusammen kämpfen … zusammen sterben, wenn es so sein mußte. Denn Cathérine wünschte sich von ganzem Herzen diesen gemeinsamen Tod, wenn er der Preis wäre, den sie zu bezahlen hätte, um ewig mit ihrem Gemahl vereint zu sein.
Auf jeden Fall war es hundertmal besser, mit ihm zu sterben, als ihn dieser Frau zu überlassen, und in jeder Hinsicht wäre es gut …
Der Entschluß der jungen Frau war gefaßt. Sie hob den Kopf, blickte Fatima unerschrocken in die besorgten Augen und lächelte. »Ich folge dir«, sagte sie. »Und ich danke dir. Versprich mir nur, dem Arzt einen Brief, den ich dir geben werde, zu übermitteln. Er ist gut zu mir gewesen.«
»Das kann ich verstehen. Abu, der Arzt, wird seinen Brief erhalten, aber komm jetzt. Morayma wird ungeduldig.«
Die alte Frau gab tatsächlich Anzeichen von Unruhe zu erkennen. Sie hatte das Brunnenbecken verlassen und kam mit großen Schritten näher, eine Frau, die keine Zeit mehr zu verlieren hat. Als Fatima sie kommen sah, nahm sie mit der schnellen Bewegung eines Taschenspielers den mit Safran gefärbten Schleier Catherines
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