Cathérine und die Zeit der Liebe
jähe und zerstörerische Wut auf die gewöhnliche Stufe einfacher Förmlichkeit zurückgeführt. Es war schließlich nur armselige Rache, schmutzige Berechnung, die sich mit dem Verrat ihrer unbefriedigten Sinne verbündet hatte. Und Cathérine empfand entsetzt, unvermindert und quälend den wilden Stich der Eifersucht wieder, die so alt und so primitiv wie die Liebe selbst war.
Über das zarte Spiel der Instrumente hob sich eine Frauenstimme in die Nacht, warm, ernst, voll Leidenschaft, derart erregend, daß Cathérine sich vor Ergriffenheit nicht rührte, nur gespannt horchte. Sie verstand die von dem herrlichen, samtdunklen Organ schmachtend gesungenen Worte nicht, aber ihr Instinkt, ihre Fraulichkeit sagten ihr, daß dies die glühendste Liebeserklärung war …
Sie horchte einen Augenblick, durch die geheimnisvolle Stimme derart bezaubert, daß sie gar nicht merkte, daß die Lichter in Zobeidas Pavillon fast alle erloschen. Der Garten wurde dunkler, rosiger, und heller schienen ihr die wenigen noch erleuchteten Fenster. Die Sängerin hatte den Ton gedämpft, trillerte beinahe nur noch … Und Cathérine, unfähig, der Neugier zu widerstehen, die sie verschlang, näherte sich unmerklich dem Pavillon der Prinzessin.
Sie überlegte nicht mehr. Die Vorstellung von der tödlichen Gefahr, der sie sich aussetzte, war ihr völlig entschwunden. Nur ihr Selbsterhaltungstrieb gab ihr ein, ihre Pantoffeln abzustreifen, mit nackten Füßen über den weichen Sand zu gehen, sich unter die Büsche zu ducken, um von den Wachen nicht bemerkt zu werden. Langsam schlich sie auf ein Fenster zu, das von einer exotischen Pflanze umrankt wurde, und duckte sich tief ins Gebüsch. Dornen stachen sie grausam, aber sie gab keinen Schmerzenslaut von sich, beachtete die Verletzungen nicht. Schließlich hatte sie das Fenster erreicht …
Vorsichtig, ganz vorsichtig richtete sie sich auf. Ihre Augen sahen jetzt über die Einfassung aus grüner Jade, und sie mußte sich in die Hand beißen, um nicht aufzuschreien. Direkt vor sich sah Cathérine Arnaud.
Er saß mit gekreuzten Beinen zwischen den Kissen eines riesigen Diwans aus rosenfarbenem Brokat, der mindestens die Hälfte eines kleinen, intimen und reizenden Zimmers einnahm, dessen mit grünem Kristall verkleidete Wände einen an das Innere eines riesigen Edelsteines denken ließen. Seine gebräunte Haut, sein schwarzes Haar und die weite schwarze, goldbestickte Hose, seine einzige Bekleidung, hoben sich seltsam von diesem Hintergrund weiblicher Verspieltheit ab. Mit seinen breiten Schultern und seinen kräftigen Muskeln paßte er nicht in dieses verweichlichte Milieu. Neben ihm stand eine tiefverschleierte Sklavin, die ihm den großen goldenen Becher sofort wieder füllte, den er ohne Unterlaß leerte. Er war schöner als je, doch stellte Cathérine verblüfft fest, daß sein Blick leicht flackerte. Sie begriff, daß er ziemlich betrunken war, und es versetzte ihr einen Schock. Noch nie hatte sie ihren Gatten in der Gewalt des Weins gesehen. Mit seinen geröteten Wangen und blitzenden Augen erinnerte er sie bestürzend an den barbarischen Gilles de Rais. Es war ein Unbekannter, den Cathérine hier sah.
Aber sie erkannte alsbald die Frau, die nicht weit von ihm halb ausgestreckt zwischen silberbestickten Kissen lag. Sie war die Sängerin, sie strich mit langen, schlanken Fingern zärtlich-lässig über die Saiten einer kleinen, runden Gitarre. Es war Zobeida in Person … und sie war atemberaubend schön.
Eine verschwenderische Fülle milchweißer Perlen bedeckte ihren Hals, ihre Schultern, ringelte sich um ihre schlanken Arme, um ihre zarten Gelenke, verlor sich in ihrem gelösten schwarzen Haar, sonst aber war sie nur in eine Wolke dünnen, jadefarbenen Flors gehüllt, der nichts von dem Zauber ihres vollkommenen Körpers verbarg. Und Cathérine mußte zornig feststellen, daß ihre Nebenbuhlerin noch verführerischer war, als sie sie, wenn auch flüchtig, noch in Erinnerung hatte. Auch sah sie, daß Zobeida ihren Gefangenen keinen Augenblick aus den Augen ließ, wohingegen er sie nicht beachtete. Er blickte irgendwohin, in die Leere, die die Trunkenheit gewahrt, aber eine freudlose Leere, wie Cathérine instinktiv ahnte.
Plötzlich ging die hartnäckige Gleichgültigkeit Arnauds über die Geduld der Maurin. Gereizt warf sie das Instrument beiseite, schickte die Sklavin mit einem herrischen Fingerschnalzen hinaus, erhob sich und streckte sich neben Arnaud aus, den Kopf auf die
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