Cathérine und die Zeit der Liebe
ihr die Mongolen Zobeidas bereits auf den Fersen. Cathérine mußte lachen, als sie Morayma so aufgeregt mit fliegenden Schleiern auf ihren kurzen, in großen Pantoffeln steckenden Beinen wie eine aufgescheuchte Ente davonwatscheln sah. Die neue Lieblingsfrau hatte keine Angst. Mit einem einzigen Schlag hatte sie sich einen Platz nach ihrer Wahl erobert, und in wenigen Augenblicken würde sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Feindin einrichten … Arnaud ganz nahe! Sie würde ihn sehen können, dessen war sie sicher, und bei diesem Gedanken rann das Blut schneller durch die Adern. Sie vergaß darüber sogar die bezaubernden Stunden, die sie in diesem traumhaften Garten verbracht hatte. Die Liebesnacht mit Mohammed war der Preis, den sie hatte zahlen müssen, um endlich mit den Fingerspitzen das so lange Ziel berühren zu können. Und dafür war es, alles in allem, ein geringer Preis …
Einige Augenblicke später verließ Cathérine, wieder in ihre zarten Gewänder gehüllt, hinter Morayma, die munter vor ihr hertrottete, den Djenan-el-Arif.
Die Wächter hatten schon vor einiger Zeit Mitternacht ausgerufen, als Cathérine und Morayma die von bewaffneten Eunuchen bewachten Grenzen des Harems überschritten. Ein Labyrinth von blumenüberwachsenen Gewölben, von Galerien und Durchgängen führte sie auf einen weiten Innenhof, dessen Pflanzen- und Blumengewirr schmale Alleen durchschnitten. Ein Teil der Gebäude dieses Gartens wurde durch unzählige Öllämpchen erleuchtet, aber im fast dunklen Hintergrund brannte nur eine Lampe über einem graziösen Torbogen, auf den Morayma jetzt zusteuerte. Die beiden Frauen waren noch nicht weit gekommen, als im Innern des Harems ein ungeheurer Lärm von Schreien, Gezeter und Beschimpfungen losbrach! Eine wahre Revolution! Morayma hob den Kopf wie ein altes Schlachtroß, das die Trompete hört, runzelte die Stirn und brummte:
»Es fängt wieder an! Zorah muß Unfug getrieben haben!«
»Was fängt wieder an?«
»Die Verrücktheiten der Ägypterin! Wenn der Herr sich eine andere Frau für seine Nacht erwählt, wird sie rasend! Sie muß ihre Wut an etwas oder jemandem auslassen. Gewöhnlich an einer anderen Frau, und das aus keinem anderen Grund, als um kratzen, beißen und beleidigen zu können. Die Wutanfälle Zorahs klingen erst ab, wenn Blut fließt.«
»Und das läßt du zu?« rief Cathérine empört.
»Zulassen? Du kennst mich nicht! Nun geh hinein: Dort ist die Tür. Dienerinnen erwarten dich. Ich werde gleich wiederkommen, um zu sehen, wie du untergebracht bist! Ihr anderen folgt mir!«
Damit meinte sie die beiden ebenholzschwarzen Eunuchen in brandroten Gewändern, die am Eingang zum Innenhof schweigend Wache standen. Wortlos setzten sie sich in Bewegung, zogen gleichzeitig nach Art von Dienern, die an solches Einschreiten gewöhnt waren, die Nilpferdpeitschen aus ihren Gürteln. Cathérine sah dem Trio nach, das sich durch die duftenden Alleen mit der Eile entfernte, die das Schicksal bestimmt, wenn es zuschlagen will. Bald war die junge Frau unter dem dichten, von Orangen schimmernden Blattwerk allein. Einen Augenblick war sie froh, allein zu sein, und beeilte sich nicht hineinzugehen. Die Nacht war zu schön mit ihren Düften und dem gedämpften Echo einer melancholischen Musik, das aus den erleuchteten Gebäuden zu ihr drang.
Dieser Teil zog Cathérine an wie ein Geliebter. Unbeweglich im Schatten der Sträucher verharrend, konnte sie ihre Augen nicht abwenden. Dort lagen, da gab es gar keinen Zweifel, die Gemachter Zobeidas! Um sich davon zu überzeugen, genügte es, die zehn schwarzen Eunuchen zu sehen, die unter dem Säulengang lässig, aber aufmerksam Wache hielten. Sie trugen im Gürtel keine geflochtenen Lederpeitschen, sondern große, blitzende Krummschwerter, die jedem, der sich zu nähern wagte, nichts Gutes versprachen.
Indessen brannte Cathérine darauf zu sehen, was in diesen Gemächern vorging, deren sanfter Lichtschein durch das von Jasminblüten gesternte Blattwerk drang und den roten Sand des Gartens liebkoste. Ein fast tierischer Instinkt sagte ihr, daß Arnaud sich hinter diesem Bollwerk aus Marmor und Blumen befinden mußte, so nahe, daß sie, wenn er gesprochen hätte, zweifellos seine Stimme hätte hören müssen. Sie spürte es vielleicht am Zusammenkrampfen ihres Herzens, am bitteren Geschmack der Eifersucht in ihrem Mund. Die Liebkosungen des Sultans waren ihrem Gedächtnis schon so ziemlich entschwunden, durch eine plötzliche,
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