Cathérine und die Zeit der Liebe
im Lande der Franken üblich ist, über die Meere zu fahren und die Sklavenmärkte zu bevölkern? Wie ist es zu erklären, daß deine Schwester hierhergekommen ist?«
Diesmal war es Cathérine, die antwortete, in der Hoffnung, daß Arnaud nicht unvorsichtigerweise vertrauliche Mitteilungen gemacht hatte. »Mein … Bruder war einst fortgezogen, um am Grab eines seit langem verehrten Heiligen die Heilung von einer Krankheit zu erflehen, an der er litt. Aber vielleicht weißt du nicht, was ein Heiliger ist?«
»Nimm deine scharfe Zunge in acht, wenn du willst, daß ich dich geduldig anhöre«, gab Zobeida zurück. »Alle Mauren kennen den Boanerges, den Sohn des Donners, dessen Blitzstrahl sie niedergestreckt hat.«
»Also«, fuhr Cathérine unerschütterlich fort, »mein Bruder hat sich aufgemacht, und viele Monate lang sind wir in Montsalvy ohne Nachricht geblieben. Wir hofften immer, daß er zurückkehre, aber er kam nicht wieder. Worauf ich beschloß, selbst aufzubrechen und am Grabmal dessen zu beten, den du den Sohn des Donners nennst. Ich hoffte, unterwegs Nachrichten über meinen Bruder zu erhalten. Und ich erhielt auch welche: Ein Diener, der in dem Augenblick floh, in dem du Arnaud gefangennahmst, hat mir von seinem Los berichtet, ich bin hierhergekommen, um ihn zu finden, den wir schon beweinten …«
»Ich dachte, du seist von den Korsaren erbeutet und in Almeria verkauft worden?«
»Ja, ich bin verkauft worden«, log Cathérine dreist, weil sie Abu al-Khayr nicht in die Sache hineinziehen wollte. »Ich bin nicht von Piraten gefangengenommen worden, sondern an den Grenzen dieses Königreichs. Ich habe es den Mann, der mich gekauft hat, nur glauben lassen, um ihm nicht erst lange Erklärungen geben zu müssen.«
»Was für eine rührende Geschichte!« bemerkte Zobeida spöttisch. »Eine zarte Schwester macht sich auf, um ihren vielgeliebten Bruder zu suchen. Um ihn besser ausfindig zu machen, treibt sie das Opfer so weit, sich ins Bett des Kalifen von Granada zu schmuggeln! Zu alledem gelingt es ihr, die offizielle Favoritin des Herrn, die kostbare Perle des Harems, zu werden, die …«
»Schweig«, unterbrach Arnaud, der, während Zobeida sprach, zunehmend erblaßt war. Soeben noch, als die Maurin die Wahl des Kalifen zum erstenmal erwähnt hatte, und unter dem Schock der Überraschung und der Freude hatte Arnaud dem Sinn des Gesagten nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt aber hatte er voll begriffen, was es bedeutete, und Cathérine sah angstvoll, wie Zorn statt Freude in sein Gesicht trat. Er wandte sich ihr jetzt zu.
»Ist das wahr?« fragte er mit solcher Schroffheit, daß die junge Frau erbebte. Sie kannte die unversöhnliche Eifersucht Arnauds zu gut, um nicht zu zittern, als sie sah, wie seine Kinnbacken sich verkrampften und seine dunklen Augen blitzten. Aber das spöttische Halblächeln Zobeidas gab ihr ihre ganze Selbstsicherheit zurück. Daß er es wagte, sie im Ton eines Herrn vor diesem Weib, das seit Monaten seine Geliebte war, zur Rede zu stellen, war doch etwas zu stark! Sie richtete sich auf, hob ihr kleines Kinn und blickte ihren Gatten fest an:
»Sehr wahr!« sagte sie ruhig. »Ich mußte dich erreichen. In einem solchen Fall sind alle Mittel recht …«
»Meinst du? Du scheinst zu vergessen …«
»Du vergißt, scheint mir! Darf ich dich fragen, was du hier tust?«
»Ich bin gefangengenommen worden. Das dürftest du wissen, wenn du Fortunat getroffen hast …«
»Ein Gefangener versucht, seine Freiheit wiederzuerlangen … Was hast du getan, um die deine zu erlangen?«
»Dies ist nicht der Ort und auch nicht der Augenblick, darüber zu sprechen!«
»Das scheint mir eine zu leichte Ausrede zu sein, und ich …«
»Ruhe!« unterbrach Zobeida ungeduldig. »Eure Familienangelegenheiten interessieren mich nicht! Wo, glaubt ihr, seid ihr eigentlich?«
Die Unterbrechung kam im unrechten Augenblick. Arnaud richtete seine Wut jetzt gegen sie.
»Und wer bist du, daß du dich zwischen uns mischst? Nach deinen wie nach unseren Sitten hat der Mann die volle Gewalt über die Frau seiner Familie. Diese hier gehört zu mir … da sie desselben Blutes ist, und ich habe das Recht, Rechenschaft über ihr Benehmen zu verlangen. Ihre Ehre ist die meine, und wenn sie sie herabgewürdigt hat …«
Die diese Worte begleitende Geste war so drohend, daß Cathérine erschrak. Das verzerrte Gesicht Arnauds war furchterregend, seine Nasenflügel zogen sich zusammen und wurden weiß,
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