Cathérine und die Zeit der Liebe
wehrte, nicht bemerkt, daß sie ihr den Dolch weggenommen hatten. Jetzt blitzte das Messer aus Silber und Gold in der schwarzen, der Prinzessin hingehaltenen Hand des Eunuchen. Diese beugte sich hinunter, um besser sehen zu können, was man ihr zeigte. Aber Arnaud war schneller als sie. Mit einem Satz hatte er sich der Waffe bemächtigt und betrachtete sie, plötzlich bestürzt. Sein Blick richtete sich prüfend auf die kniende Cathérine.
»Wo hast du diesen Dolch her?« fragte er heiser.
Sie war unfähig zu antworten, weil ihre Stimme vor Erregung versagte, aber ihre blauen, großen Augen verschlangen ihn und flehten ihn gleichzeitig an. Zobeida hatte sie ganz vergessen, deren schwarze, funkelnde Augen indessen nichts Gutes verhießen. Die Maurin wandte sich schroff an ihren Gefangenen: »Du kennst diese Waffe?« fragte sie. »Woher stammt sie?« Arnaud antwortete nicht. Er betrachtete weiter die dunkle, auf dem Sand kniende Gestalt, die ihn anstrahlte. Plötzlich sah Cathérine, wie er erblaßte. Ehe sie ihm hatte zuvorkommen können, war er drei Schritte vorgetreten, hatte den blauen Schleier gepackt und ihn weggerissen. Wie vom Schlag gerührt blieb er vor dem jäh enthüllten Gesicht stehen.
»Cathérine!« flüsterte er. »Du! … Du hier?! …«
Es folgte ein kurzer, wunderbarer Augenblick, in dem beide alles vergaßen, was nicht ihre ungeheure Freude betraf, sich nach soviel Tränen und Leiden wiedergefunden zu haben. Die dabeistehenden Sudanesen, die Frau, die sie mit wachsendem Zorn betrachtete, die Gefahr, die über ihnen schwebte – darüber legten sie sich keinerlei Rechenschaft ab. Alles war ausgelöscht, all dies existierte nicht. Sie waren allein in einer toten Welt, in der nichts Bestand hatte als ihre ineinandergehefteten Blicke und ihre von neuem im Gleichklang schlagenden Herzen. Den Dolch mechanisch in den Gürtel steckend, streckte Arnaud die Hände aus, um seiner Frau aufzuhelfen.
»Cathérine!« murmelte er mit unendlicher Zärtlichkeit. »Cathérine … ma mie !«
Das teuerste Wort unter allen! Das Wort, das sie nie hatte vergessen können und das nur er auszusprechen vermochte! … Cathérine befiel ein Schwindel. Aber die Gnadenfrist war schon vergangen. Mit einem Panthersprung hatte Zobeida sich zwischen sie geworfen.
»Was ist das für eine Sprache?« fragte sie in einem Französisch, das Cathérine erstaunte. »Sie nennt sich Licht des Morgens und ist eine von den Seeräubern gekaufte Sklavin. Sie ist die neueste Konkubine meines Bruders, seine Favoritin!«
Die ganze Sanftmut, die seine energischen Züge einen Augenblick entspannt hatte, erlosch. Ein Zornesblitz funkelte in seinem dunklen Blick, und er sagte scharf:
»Sie heißt Cathérine de Montsalvy! Sie ist … meine Schwester!« Das leichte Zögern war kurz wie ein Herzschlag gewesen, aber es hatte genügt, den Ritter die Gefahr erkennen zu lassen. Zuzugeben, daß Cathérine seine Frau war, hieße, sie auf der Stelle dem schlimmsten Tod zu überantworten. Er kannte die wütende Eifersucht Zobeidas zu gut! Gleichzeitig tauchte er seinen Blick wieder in den Catherines, ebenso gebieterisch wie flehentlich, sie möge ihm nicht widersprechen. Aber Arnaud hatte nichts zu fürchten. Wenn Cathérine auch eine wilde Freude empfunden hätte, ihren Titel als Gattin zurückzufordern, ihre Rivalin damit zu verletzen, hatte sie natürlich keine Lust, törichterweise wegen eines Wortes das Leben zu verlieren. Außerdem, hatte Zobeida die naive Lüge geglaubt? Ihre schmal gewordenen Augen huschten von einem zum anderen der beiden Gatten, ohne daß sie daran dachte, ihre Verwunderung und ihr Mißtrauen zu verhehlen.
»Deine Schwester? Aber sie sieht dir gar nicht ähnlich!«
Arnaud zuckte die Schultern.
»Der Kalif Mohammed hat blondes Haar und helle Augen. Ist er deswegen weniger dein Bruder?«
»Wir haben nicht dieselbe Mutter gehabt …«
»Wir auch nicht! Unser Vater hat sich zweimal verheiratet. Wünschst du noch weitere Auskünfte?«
Der Ton war hochmütig, scharf. Arnaud schien entschlossen, sich des Vorteils zu bedienen, den ihm die fast servile sinnliche Liebe seiner gefährlichen Geliebten bot. Aber die Anwesenheit dieser anderen, instinktiv verhaßten Frau neben dem Mann, dessen Besitz sie um den Preis von soviel Blut verteidigt hatte, machte Zobeida wütend. Kalt erwiderte sie:
»Jawohl, ich wünsche tatsächlich noch weitere Auskünfte. Zum Beispiel möchte ich gern wissen, ob es bei den Frauen von Adelsfamilien
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