Cathérine und die Zeit der Liebe
Grotte unter luftigen Kuppeln schimmerte. Auf Kissen, Teppichen oder Diwanen ausgestreckt, plauderten sie, knabberten Süßigkeiten oder schlummerten. Einige schliefen dort, weil sie kein eigenes Zimmer hatten. Das Ganze bot ein prächtiges, warmes und farbiges Bild.
Zur großen Erleichterung Catherines beachtete sie niemand. Wenn die eine oder andere von ihnen nicht zum Kalifen gerufen wurde, interessierten sich die Frauen des Harems nicht dafür, was ihre Gefährtinnen machten. Ihr Leben verlief völlig gleichartig, enthielt nichts als Gleichgültigkeit und Langeweile. Cathérine ging durch den Saal und wiederholte unaufhörlich im Geist Maries Hinweise, die verhüten sollten, daß sie sich verliefe und den Anschein erwecke, als sei sie mit der Örtlichkeit nicht gewohnheitsmäßig vertraut. Es genügte, die Säulenkolonnaden entlangzugehen. Dahinter öffnete sich das Juwel der Al Harra im allgemeinen und des Harems im besonderen, ein Traum aus weißem, gemeißeltem Marmor um einen von zwölf Löwen bewachten Brunnen, aus deren Mäulern blitzende Wasserstrahlen in die durch den roten, grün-golden emaillierten Boden gezogenen Abflußgräben sprühten. Riesige Orangenbäume umstanden den Innenhof, dessen Stille nur durch das Plätschern der Springbrunnen und das sanfte Geräusch des unaufhörlich über den Rand des Marmorbeckens fließenden Wassers unterbrochen wurde. Das Ganze war von einer solchen Schönheit, daß Cathérine, in größtes Erstaunen versetzt, sich trotz ihrer Eile einen kurzen Aufschub gönnte, um es zu bewundern. Einen Augenblick stellte sie sich vor, mit Arnaud allein an einem so wundervollen Ort sein zu können … Wie schön es sein müßte, hier zu lieben, dem Murmeln der Springbrunnen zu lauschen und schließlich unter diesem samtenen Himmel einzuschlafen, der das sanfte Licht seiner großen Sterne auf die glänzenden, vielfarbigen Ziegel der Galerien warf.
Aber Cathérine war nicht da, um zu träumen. Sie schüttelte ihre Verzauberung ab und schritt langsam, ohne das geringste Geräusch zu machen, durch die luftigen Arkaden. Keine Seele atmete in dem Hof, in dem die Löwen auf ihren steifen Pranken schweigend und wassersprühend Wache standen. Das Zimmer Maries lag auf dieser Seite. Sie fand es mühelos, hütete sich aber wohl einzutreten. Statt dessen tauchte sie in den tiefen, farblosen Schatten, machte sich, so gut es ihr möglich war, unsichtbar und fand schließlich die kleine Gartenpforte.
Es war dunkel. Der schwache Lichtschein einer ziemlich entfernt hängenden Öllampe machte es schwierig für die junge Frau, das Schloß zu finden. Sie tastete, wurde nervös, weil sie es nicht sofort fand. Wie konnte man diese Pforte öffnen, wenn man nichts sah? Doch langsam gewöhnten sich ihre Augen an das Halbdunkel. Sie konnte die Umrisse des Schlosses besser unterscheiden, drückte die schmiedeeiserne Klinke herunter und setzte dann die Spitze ihres Dolches, den sie in ihrem goldbestickten Gürtel versteckt hatte, an dem ziemlich primitiven Schloß an. Und schließlich stellte sie mit Freuden fest, daß es nachgab. Das Zedernholztürchen öffnete sich geräuschlos, öffnete sich auf die großen, in der Nacht schlummernden Gärten. Flink glitt Cathérine hinaus. Die Umgebung war menschenleer, und sie empfand Vergnügen, auf den weichen Sand der Alleen zu treten. Bald tauchten die Zypressen und die niedrige Mauer auf, die den Privatbesitz Zobeidas abschloß und erst kürzlich gebaut worden sein konnte, zweifellos des fränkischen Ritters wegen. Das Hinübersteigen war spielend leicht für die junge Frau. Sie war noch ebenso geschmeidig, so behende wie zu der Zeit, als sie als junges Mädchen mit ihrem Freund Landry Pigasse durch Paris gebummelt und auf den Mauern der in Bau befindlichen Kirchentürme herumgeklettert war.
Auf der Mauer hockend, versuchte Cathérine, sich zu orientieren. Sie bemerkte am Ende eines Teichs einen eleganten Säulengang, den ein viereckiger Turm flankierte. Er wurde Turm der Damen genannt und war Teil der Privatgemächer Zobeidas. Dahinter tauchten undeutlich in der Nacht die Hügel Granadas auf, denn dieser Turm war auf dem Festungswall errichtet. Lichter blinkten unter den Säulen, wo Sklaven auf und ab gingen. Cathérine wandte sich um und erkannte rechts etwas entfernt mit klopfendem Herzen den von Marie geschilderten Pavillon, der sich Prinzenpalais nannte. Von Zypressen und Zitronenbäumen umgeben, spiegelte sich in einem stillen Teich, dem der Mond
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